Background Image
Previous Page  41 / 76 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 41 / 76 Next Page
Page Background

Seite 41

Informationsblatt 25 Dezember 2013

Beiträge und Berichte

billiger und besser als in London, reichlicher als in Paris. Pasta

con fungi porcini, Fergato alla Veneziana, per favore, gratia,

allora gratia, va bene. (wahrscheinlich nicht fehlerfrei!). Wir

saßen unterhalb der Spanischen Treppe in der Via San Croce,

abends, bei lauem Wetter, wie in unserem August, nur es war

Oktober und die Kellner stellten allmählich die ganze Straße

voller Tische, viele fröhliche Menschen, leicht schlampige

Touristen, elegante Römer, nur einige Straßenverkäufer mit

dunklerem Hautkolorit erinnerten mich daran, dass nicht alle

an unserem Wohlstand teilhaben. Aber es war schön – und wer

hätte von meinen lieben Gästen, mit denen ich ein Menschenle-

ben lang zusammengearbeitet habe, gedacht, dass wir einmal in

Rom zusammen Rotwein trinken und glückliche Stunden erle-

ben? Es wird mir im Gedächtnis bleiben, die Spanische Treppe

mit ihren vielen verliebten Pärchen, die Straßenkünstler, das

Licht, hier hätte ich auch gern mit meiner Liebsten mit 25 ge-

sessen … Nun, ich bin zufrieden, haben es ja noch erlebt, wenn

auch nicht mehr so taufrisch.

Ein Tag antikes Rom, obwohl wir eigentlich immer im anti-

ken Rom waren, aus jedem Hinterhof ragt ja eine Säule. Nun

ging es aber in das Zentrum der antiken Großmacht. Colos-

seum, Foren, Kapitol, viele einzelne Rudimente vergangener

Größe, es gehört Wissen und Vorstellungskraft dazu, sich die-

sen gewaltigen und großartigen Gebäudekomplex, der über

Jahrhunderte entstanden und für Jahrhunderte Zentrum eines

Reiches war, größer als die heutige EU, überhaupt vorstellen

zu können. Titusbogen, die Römer feiern ihren Triumpf über

Israel und zeigen den Leuchter des Tempels. Severusbogen,

er kündet vom Kampf gegen die Parther im Osten, kündet nur

von Siegen, obwohl es viele Niederlagen gab. Konstantinbo-

gen, bereits mit Spolien früherer Bauwerke, Sieg an der Mil-

vischen Brücke, den Beginn einer neuen Zeit markierend, den

Aufstieg des Christentums. Wir haben die Curie besucht, hier

wurde Cäsar ermordet, von hier wurde die Welt gelenkt. Ein

kleiner Bau im Vergleich zu Brüssel. Auf der Via Sacra geht es

hoch zum Kapitol. Auch dieser Platz wurde von Michelangelo

umgestaltet, durchaus der Antike würdig. Marc Aurel steht im

Mittelpunkt, den Arm ausgestreckt. Ein Bronzestandbild, mei-

nes Wissens die einzige originale Reiterstatue der römischen

Antike, die überlebt hat, ein technisches Meisterwerk, bis zur

Renaissance nicht wieder erreicht. Man hielt den Gruß für ei-

nen Segen des vermeintlichen christlichen Konstantin, so blieb

uns der Verfasser der „Wege zu sich selbst“ erhalten. Es gibt

wenige Herrscher, die mir ob ihrer Nachdenklichkeit so nahe

sind. Rechts und links stehen die Gebäude des Kapitolinischen

Museums, das den sterbenden Gallier (ehemals in Pergamon),

die kapitolinische Wölfin und eben heute auch das Original der

Reiterstatue des Marc Aurel beherbergt, neben vielen anderen

Kunstwerken – die Zeit war zu kurz.

Wenn man durch das „Forum Romanum“ wandert, eigentlich

ein Sammelbegriff für ganz verschiedene Anlagen, vergisst

man leicht, dass man nur einen Teil sieht. Auf der anderen Seite

liegt u. a. das Trajansforum mit der berühmten Säule aus dem

Dakerkrieg, die auch dieAsche des großen Kaisers enthielt. Die

Straße dazwischen hat Mussolini förmlich hineingeschlagen,

für seine Großmachtphantasien. Sie führt am Colosseum und

Konstantinbogen vorbei, aber nicht in die Zukunft. Ähnliches

begegnete mir auch am Grab des Augustus, als etruskisches

Königsgrab angelegt, heute umrahmt von Bauten Mussolinis,

aus dem Jahr 18 seiner Bewegung. Nicht alle Reiche werden

1000 Jahre alt!

Den letzten Tag habe ich das offizielle Programm, den Ausflug

nach Sperlonga, geschwänzt. Ich war im Museum, wo sonst?

Das Museo Nationale Romana liegt in der Nähe des U-Bahn-

hofes „Termini“ und beherbergt eine großartige Statuensamm-

lung, von der mich der sich ausruhende Faustkämpfer, eine

griechische Bronze in Lebensgröße, am stärksten beeindruckt

hat. Ein Kämpfer mit Blessuren, verschwollenen Augen, ruht

sich aus, müde, aber in Gelassenheit, wartet er auf den nächsten

Kampf oder den Schiedsspruch. Ein Meisterwerk der Psycho-

logie. Es ist etwas anderes, solch ein Werk im Bild zu sehen,

oder um es herumgehen zu können. Er sah mich an, schweig-

sam, nicht bedrohlich.

Im Kellergeschoss befindet sich die große Münzsammlung, die

die Geschichte des Römischen Reiches und die Geschichte Ita-

liens belegt. Von den Griechen in Süditalien, von denen die Rö-

mer in den Punischen Kriegen die Silberprägung übernahmen.

Bis in die Gegenwart reichen die Exponate und spiegeln vor

allem auch die zerrissene politische Geschichte Italiens wieder,

auch seine Größe. Das Sizilien der Normannen und Staufer, die

Münzen der lombardischen Städte, die von Reichtum künden

zu einer Zeit, als nördlich der Alpen noch dünne Silberpfen-

nige geprägt worden sind, das napoleonisch geprägte Italien,

die Päpste, das Königreich des Garibaldi, Verdi und Mazzini,

der Euro. Dazwischen fand ich auch meine kleine Münze des

ostgotischen Königs Theoderich wieder:

Roma invicta.

Prof. Dr. Hellmut Rühle

(Woggersin bei Neubrandenburg)

Original der Reiterstatue des Marc Aurel im Kapitolinischen Museum