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Seite 36 Informationsblatt 25 Dezember 2013

Beiträge und Berichte

aufgedeckt habe, von dem sämtliche aus größeren Steinen mit

Lehmmörtel aufgebauten Mauern bis zu einer Höhe von 50 cm

bis 1 m erhalten sind …“

Schliemann an Virchow, Halle a/S, 12. November 1890

(Postkarte): „Hoch lebe Asklepios

10

, die Operation erklärt

Professor Schwartz/e/ für ausführbar und will sie morgen

früh gleichzeitig auf beiden Ohren vornehmen. Er meint, ich

würde drei Wochen lang taub bleiben, könnte aber schon nach

4 Wochen abreisen.“

Und neun Tage vor seinemTod heißt es in einem Brief aus Paris

an den gelehrten Freund:

„Hoch lebe Pallas Athene, ich höre wenigstens auf dem rechten

Ohr wieder und hoffe, das linke wird sich erholen.“

9. Resümee

Das Resümee meines 125. Sonntagsvortrages bestritt ich mit

Hinweisen von Wout Arentzen und Rainer Hilse, die ich auch

hier nur verkürzt wiedergeben kann. Später erreichten mich

auch noch Bemerkungen von Armin Jähne.

Hinweise von Wout Arentzen:

Wout Arentzen erkennt bei Schliemann keine tiefen religiösen

Gefühle. Am Ende war Schliemann für ihn wahrscheinlich ein

Agnostiker. Der Mann war absolut gefühllos.

„In Amsterdam besuchte Schliemann immer die spanisch-

katholische Kirche, ohne jedoch Katholik zu sein. Das ist

bemerkenswert, weil zu jener Zeit die katholische Kirche

in den Niederlanden amtlich noch verboten war (das hängt

mit dem historischen Konflikt zwischen Spanien und den

Niederlanden zusammen). Erst 1848 wurde sie wieder offiziell

anerkannt. Schliemann besuchte also eine illegale Kirche.

Neben Predigten auf Deutsch gab man hier gelegentlich auch

Predigten in Spanisch. Warum ging er nicht in die Lutheraner

Kirche? Weil im Vordergrund die Spracherlernung und nicht

die Predigt stand!“

„Er war ein Freund von Emile Burnouf. Dieser veröffentlichte

1872 ‚La Science des Religions‘. Das Buch ist nicht so einfach

zu verstehen, aber es ist klar, dass Burnouf davon ausgeht, dass

alle Religionen den gleichen Ursprung haben. Es hat mehr

oder weniger die gleiche Grundidee wie Albert Kuhns ‚Die

Herabkunft des Feuers und des Göttertranks‘, aber mit weniger

Betonung des arischen Elements.“

„Auch für die beliebten spirituellen Praktiken seiner Zeit

scheint er unempfindlich gewesen zu sein. Schliemann war so

oft in London, dass er bestimmt mit dem Spiritismus in Kontakt

gekommen ist. Es scheint ihn aber nicht interessiert zu haben,

denn er hat darüber, soweit ich weiß, nichts geschrieben.“

Religion war, so die Schlussfolgerung von Wout Arentzen, für

Schliemannwahrscheinlich nicht mehr als eine gesellschaftliche

Konvention, an die man sich halten sollte und musste.

10 Im Original mit griechischen Buchstaben geschrieben.

Hinweise von Rainer Hilse:

„Man müsste m. E. mehr darüber wissen, was Schliemann

bewogen hat, Freimaurer zu werden. Hier könnte ein Schlüssel

dazu liegen, welche ‚religiösen‘ Vorstellungen er hatte. Dass er

welche hatte, scheint außer Zweifel.“

„Es scheint, als ob er ein allgemeines göttliches Prinzip

anerkannte, frei vom Drumherum ‚kirchlicher Institutionen‘,

Dogmen

und

durch

‚Religionsstifter‘

verordneter

Glaubensgrundsätze. Ein freier Glaube also?“

„An was Schliemann genau glaubte, werden wir wohl

nicht genau herausfinden, so freizügig er auch sonst mit

Informationen umging; hier schweigen die Quellen beträchtlich.

Seine Religiosität scheint mehr philosophisch angelegt zu

sein. Eines aber denke ich behaupten zu dürfen, er war kein

Religionsfanatiker. Er scheint es mehr mit Friedrich II gehalten

zu haben, nachdem jeder in religiöser Hinsicht nach seiner

Fasson glücklich werden soll.“

Hinweise von Armin Jähne (die mich erst nach dem Vortrag

erreichten):

„Auf die Schnelle. Wenn es um Schliemanns Verhältnis zu

den Religionen geht, kann es sich nur um drei handeln: die

evangelische Kirche, die russisch-orthodoxe resp. griechisch-

orthodoxe Kirche und den Islam.

1. Schliemann stammt aus einer Familie mit evangelisch-

lutherischem Glaubensbekenntnis, mehr noch aus einer

Pfarrersfamilie. Er hat folglich – mit allen Konsequenzen

– den evangelischen Glauben mit der Muttermilch

eingesogen. Aber es geht nicht nur um den Glauben, sondern

ganz besonders um die evangelische Lebenseinstellung

(arbeitsfroh, sparsam, protestantische Ethik usw.). Diese

positive Grundhaltung hat auch der wüste Vater, dessen bin

ich mir gewiss, nicht erschüttern können. Soweit ich weiß,

und ich habe das so auch geschrieben, ist er nie von seinem

evangelisch-lutherischen Glaubensbekenntnis abgewichen.

Sic! Er war durch und durch evangelisch-lutherisch geprägt.

Übrigens: evangelisch sein, heißt auch, kirchlichen Pomp

und Heiligenverehrung (Ikonenverehrung) abzulehnen.

2. In Russland rückt er durch die Heirat und die Familie seiner

Frau und weitere russische Bekannte in starke Nähe zur

russisch-orthodoxen Kirche, die sehr vereinnahmend sein

kann. Die russisch-orthodoxe Kirche versteht sich als einzig

rechtgläubige Kirche. Die katholische Kirche, weil mit dem

Schisma vom rechten Glauben abgefallen, ist in ihren Augen

eine Ketzerkirche. Verglichen mit ihr, ist Luther sowieso ein

Erzketzer und der evangelische Glaube gleichfalls schwere

Ketzerei. Natürlich gab es im toleranten Russland und

insbesondere in St. Petersburg katholische wie evangelische

Kirchen, so dass Schliemann, wenn er wollte, in seinem

Glauben auch leben konnte. Aber er musste sich anpassen

und Rücksichten nehmen. Seine Heirat geschah nach

orthodoxem Ritus. Und hier beginnt mein Unwissen. Ging

das so einfach – eine orthodoxe Frau und ein evangelisch-