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Seite 29

Informationsblatt 23 Dezember 2011

30. Geburtstag des HSM

Kontakte zu Nachkommen der Schliemanns in Deutschland.

Große Verdienste um die Entwicklung des Museums erwarb

sich Jost Reinhold, sein steter Förderer, dem wir, die Freunde

des Museums, zahlreiche Neuerwerbungen und finanzielle

Unterstützung in prekären Situationen verdanken. Dafür ge-

bührt ihm unsere höchste Anerkennung.

Schritt für Schritt, mal waren es längere, mal kürzere, ging

es mit dem Museum voran. Seine Bedeutung wuchs und sein

Ruf als Ort der Würdigung des Troia-Ausgräbers Schliemann

weckte das Interesse in- und ausländischer Massenmedien:

das DDR-Fernsehen (1981 und 1986 – Dreharbeiten mit

Katja Ebstein), die Post mit zwei Sonderbriefmarken (1990),

das italienische Fernsehen RAI mit Aufnahmen für einen

Dokumentarfilm (1989 und 2008), wiederholt Dreharbeiten

des NDR (1997 und 2003), Dreharbeiten des japanischen

Fernsehens (2000 und 2003), des türkischen Fernsehens

(2003), des MDR (2005) und von Spiegel-TV (2007).

Im Frühjahr 2003 erfolgte die Stafettenübergabe. Der nun

Pensionär Bölke legte das Museumsruder in die Hände seines

Nachfolgers Reinhard Witte. Der Mykenologe hatte mehrere

Jahre am Zentralinstitut für Alte Geschichte und Archäologie

der Akademie der Wissenschaften gearbeitet und sich dort

erste wissenschaftliche Sporen verdient. Er übernahm eine

gut funktionierende Einrichtung, konnte auf dem Fundus

des Erreichten aufbauen und Neues hinzufügen. Erweitert

wurde, dank des Engagements von Undine Haase, die mu-

seumspädagogische Arbeit. Sie umfasst jährlich zahlreiche

Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche, ebenso die

Betreuung von Schüler- und Projektgruppen aus der Region

oder –wie 2006 – die Teilnahme amKinderkirchentag inWaren

(Müritz). Als geglückt ist die Umgestaltung des so genannten

Kinderzimmers in einen „Erlebnisbereich für Kinder und

Jugendliche von heute“ zu bezeichnen. Begonnen wurde –

ein schöner Beweis für die Außenwirksamkeit des Museums

– die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Gymnasium

„Neues Carolinum“ in Neustrelitz. Erste Kontakte für eine

derartige Zusammenarbeit mit dem Gotthold-Ephraim-

Lessing-Gymnasium in Kamenz sind ebenfalls geknüpft

worden. Viel Kraft wendete Witte für die Auffrischung und

Erweiterung der Webseite, einschließlich der Digitalisierung

des Bilderarchivs des Museums auf. Eine besondere, höch-

ste Achtung abfordernde wissenschaftliche Leistung sind

seine Sonntagsvorträge, die sich an ein breites Publikum

aus der Region wenden und sich in steter Regelmäßigkeit

der Zahl Hundert nähern. Leider wird Wittes physische und

psychische Kraft durch den ständigen, auch erniedrigenden

Kampf um den Erhalt des Museums, dieses einzigartigen

Erinnerungsortes, um Finanzmittel und ähnliche Dinge über

Gebühr beansprucht.

Eine Sternstunde für das Museum, seine aufopferungsvol-

len Mitarbeiter und die Schliemann-Gesellschaft war im

September 2001 die Eintragung in das so genannte Blaubuch

der neuen Bundesländer als „Kultureller Gedächtnisort“

von nationaler Bedeutung und internationaler Ausstrahlung.

Dieses „Blaubuch“ listet von etwa 1400 Museen in den

neuen Bundesländern 40 Einrichtungen als besonders förde-

rungswürdig auf;

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ich wiederhole, um diesen Gedanken ex-

tra zu unterstreichen: das Heinrich-Schliemann- Museum gilt

seither als besonders förderungswürdig. Die Eintragung ins

„Blaubuch“ und die damit einhergehende Feststellung seiner

besonderen Förderungswürdigkeit kamen der Verleihung

eines kulturellen Adelsbriefes gleich. Sie wurden nicht von

irgendwem auf der Straße vorgenommen, sondern gescha-

hen auf Veranlassung der Bundesregierung, also der großen

Politik, durch eine von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Paul Raabe,

dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, geleitete

Kommission. Umso erstaunter ist man heute, ja man ist glei-

chsam frustriert, wenn, entgegen der Begründung für den

„Blaubuch“-Eintrag, „das Schliemann-Museum habe sich zu

einem ‚Zentrum der Schliemann-Forschung’ und zu einer

Begegnungsstätte für Schliemannfreunde aus aller Welt ent-

wickelt“, dem Leiter des Museums untersagt wird, weiterhin

vom Museum als einem Zentrum der Schliemannforschung

zu sprechen. Welche politische Hybris, welch eine politische

Arroganz spricht aus diesem Verbot! Heißt dies etwa, dass

nicht sein kann, was nicht sein darf! Irgendwie, man nehme

es mir nicht übel, fühlt man sich an die momentanen Querelen

um die Verleihung des Friedensnobelpreises 2010 erinnert.

Die bloße Negation der Fakten schafft diese Fakten nicht aus

der Welt.

Das Heinrich-Schliemann-Museum ist anderen Museen

nicht einfach gleichzusetzen. Gemeinhin entstehen Museen

aus schon vorhandenen Sammlungen. Sie offerieren diese

Sammlungen der Öffentlichkeit, pflegen sie und bearbeiten sie

wissenschaftlich. Das hiesige Museum hat, im Unterschied zu

ihnen, eine etwas andere Geschichte. Es ist ein Museum sui

generis, von ganz eigener Art. Am Anfang standen ein schon

baufälliges Pfarrhaus, eine der Restaurierung bedürftige

Kirche und ein gusseisernes Grabkreuz. Zu diesen drei autoch-

thonen Objekten, die sinngemäß und in ihrer Ursprünglichkeit

eine Einheit bilden, gehörte eine Persönlichkeit von Weltrang –

Heinrich Schliemann. Sein Vater war eine Zeit lang Pfarrer in

Ankershagen, seine Mutter wurde auf dem hiesigen Friedhof

begraben, er verlebte Jahre der Kindheit im Pfarrhaus, stro-

merte mit seinesgleichen über die Feldfluren und nahm in

seine Kinderseele Märchen, Sagen und Überlieferungen der

heimatlichen Umgebung auf. Der – ein Riesenglück – er-

haltene altertümliche materielle Bestand musste als die eine

Komponente mit der anderen, der immateriellen Komponente,

jenem immateriellen Wert der sozialen und geistigen

Entwicklung des Pfarrersohns hin zu einer weltberühmten

Persönlichkeit und zu einem großen Wissenschaftler, musste

mit dessen sozialem Credo „ich komme von unten und will

mit aller Energie nach oben“ wieder zusammengebracht

werden. Mehr war, seien wir ehrlich, Ende der 1970er Jahre

nicht da, als sich die oben genannten Enthusiasten ans Werk

machten, das Erbe Heinrich Schliemanns in Ankershagen

öffentlichkeitswirksam darzustellen, es zu retten, zu be-

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Über 20 dieser besonderen Gedächtnisorte, darunter auch das Heinrich-

Schliemann-Museum, wird berichtet in: Leuchtfeuer. Kulturelle

Gedächtnisorte. Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern/ Sachsen/

Sachsen Anhalt/ Thüringen, Leipzig 2009, Heinrich-Schliemann-

Museum: S. 146-154 (der Band wurde vom Bundesbeauftragten für

Kultur und Medien herausgegeben).