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Seite 33

Informationsblatt 23 Dezember 2011

Sonderausstellungen

interessanter. Dieses sehr umfangreiche illustratorische Werk

fand seine Würdigung in einer Vielzahl von Auszeichnungen

als „Schönstes Buch“ auf nationaler und internationaler Ebene.

Wir bedauerten seiner Zeit, dass Johannes Niedlich durch die

Illustrationsarbeit so wenig Zeit für die freie Arbeit blieb. Das

änderte sich zu Beginn der 1990er Jahre, und diese Änderung

haben wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge ge-

sehen. Lachend, weil nun Zeit für viele freie Arbeiten war, und

weinend, weil Bücher ohne Illustrationen häufig wie ein Torso

sind. Der Beschäftigung Johannes Niedlichs mit gesellschaft-

lichen Verhältnissen über den Weg der Buchillustrationen,

aber auch durch die rein praktische Tätigkeit in Altlandsberg,

zum Beispiel durch die Mitarbeit bei der Restaurierung der

Stadtmauer, in den 1970er und 1980er Jahren, folgte zu Beginn

der 1990er Jahre das aktive Bemühen um die Ausgestaltung

bürgerlich-demokratischer Verhältnisse, so durch die Bildung

der Altlandsberger Wählergemeinschaft und die langjährige

Mitwirkung im Stadtparlament.

Gegenstand des zeichnerischen Werks von Johannes Niedlich

sind seit Beginn der 1990er Jahre vorwiegend Pflanzen- und

Tiermotive, wie Sie sie auch in der Ausstellung finden werden.

Und bei diesen Motiven setzt die Schwierigkeit der Würdigung

ein, denn es handelt sich wohl weder um naturgetreue

Abbildungen noch um satirische Darstellungen, selbst wenn

man insbesondere bei vielen Tierdarstellungen auf die Idee

kommen könnte – wie z. B. beim Zyklus „Hühner sind auch

nur Menschen“. Man stellt sich folgerichtig die Frage, warum

Johannes Niedlich diese Motive und die Art ihrer Darstellung

immer wieder wählt. Diese Frage stellt sich insbesondere auch

bei dieser Ausstellung hier auf dem Lande. Wir haben unseren

Kindern häufig ein russisches Märchen von Iwanuschka, der

gewöhnlich der Dumme genannt wird, vorgelesen. Iwanuschka

hebt die Tür seines Hauses aus und nimmt sie auf seiner

Wanderung mit, weil er sie ja im Auge behalten soll. Als er

in den Wald kommt, fragt ihn der Bär, warum er Holz in den

Wald trägt. Das ist eine andere Version des Bildes „Eulen nach

Athen tragen”, womit wir einen, wenn auch sehr umständli-

chen Bezug zum Heinrich-Schliemann-Museum hergestellt ha-

ben. Warum zeichnet also einer Pflanzen und Tiere und stellt

diese Bilder auch noch auf dem Lande aus. In der Stadt mag das

noch eine gewisse Berechtigung haben, denn Stadtmenschen

kennen vor allen Dingen Zimmerpflanzen und Hunde und

Katzen. Bei den Landmenschen unterstellt man aber, dass sie

die abgebildeten Pflanzen und Tiere kennen. Im Gegenteil, sie

werden feststellen, dass die Pflanzen und Tiere in der Natur

eigentlich doch etwas anders aussehen. Warum also soll man

sie betrachten? Hier schließt sich meines Erachtens der Kreis

zur Illustration von Büchern. Sie ist zwar nicht zwingend er-

forderlich, aber äußerst nützlich, denn sie eröffnet neue und

andere Möglichkeiten der Beurteilung und des Nachdenkens

über den Gegenstand – sie ist Anregung. In unserer schnellle-

bigen Zeit, in der alles unter Zeitdruck und häufig hektisch er-

ledigt werden muss und wir uns vorwiegend imAuto bewegen,

haben wir wenig Gelegenheit und nehmen wir uns zu wenig

Zeit, die uns umgebenden Dinge in Ruhe zu betrachten. Unsere

Sehgewohnheiten sind stark eingeschränkt und auf das ver-

meintlich Wesentliche konzentriert. Uns fehlt häufig einfach

die Muße, uns Pflanzen und Tiere, aber auch die Landschaft,

in Ruhe zu betrachten, Details zu entdecken oder einfach nur

die Schönheit aufzunehmen. Mit den Zeichnungen hat sich

Johannes Niedlich die Mühe gemacht, Pflanzen und Tiere in

Ruhe und Gelassenheit zu betrachten, die Schönheit des Details

darzustellen oder ironisch auf Verhaltensbesonderheiten von

Tieren und im Vergleich zum Menschen hinzuweisen – für ihn

kommt es nicht darauf an, möglichst viel in möglichst kurzer

Zeit zu betrachten und darzustellen, sondern den Betrachter

anzuregen, seine Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten zu

verändern und den Blick auf Details konzentrieren zu können,

wobei er selbst herausfinden soll, was für ihn wesentlich ist.

Ich darf Sie also einladen, mit der Betrachtung der Ausstellung

die Anregungen aufzunehmen, zu verinnerlichen und, soweit

möglich, in den stillen Momenten eines jeden Tages zu erleben

(Abb. 3 und 4).

Herzlichen Dank.“

Die Sonderausstellung „LebeWesen“ kann noch bis zum

25. März 2012 im Dachgeschoss des Heinrich-Schliemann-

Museums betrachtet werde. Die Bilder sind auch käuflich zu

erwerben.

Sonderausstellung „LebeWesen“: Im Gespräch der Künstler (4. v. l.) mit

Herrn Voppmann (3. v. l.)

Sonderausstellung „LebeWesen“: Nur ein kleiner Einblick in das umfang-

reiche Schaffen von Herrn Niedlich