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Seite 28 Informationsblatt 23 Dezember 2011

30. Geburtstag des HSM

Herrmann, Direktor des Zentralinstituts für Alte Geschichte

und Archäologie an der Akademie der Wissenschaften

der DDR, zu Hilfe gerufen. Er erklärte den uneinsichtigen

Gedenkstättengegnern, dass Schliemann als erfolgreicher, auf

Gewinn bedachter Kaufmann zwar viel Geld angehäuft habe,

es aber – zum Teil – gemeinnützig wieder verausgabte. Ein

Ort der Erinnerung an den Troia-Ausgräber und Gelehrten von

Weltruf würde dem sozialistischen Staat DDR doch recht gut

zu Gesicht stehen.

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Unwillkürlich drängt sich der Vergleich zu

heute auf. Waren es damals politisch-ideologische Gründe, die

fast die Geburt des Heinrich-Schliemann-Museums verhindert

hätten, so ist es heute landesweit politische Kurzsicht, die,

egal ob als Länder- bzw. Kreissache oder als Angelegenheit

des Bundes definiert, unter dem Verweis auf ökonomische

Sachzwänge – das liebe Geld also – breite Schneisen in

Deutschlands Kulturlandschaft schlägt, ohne sich über die un-

ausbleiblichen Folgen im Klaren zu sein.

Bölke und seine Mitstreiter wurden von Anfang an – neben

Herrmann – mental, moralisch und wissenschaftlich von Prof.

Johannes Irmscher aus dem Zentralinstitut für Alte Geschichte

und Archäologie in Berlin, Prof. Wolfgang Schindler von

der Humboldt-Universität zu Berlin, und durch ihn vermit-

telt, von Prof. William M. Calder III aus den USA, Prof.

Konrad Zimmermann von der Universität Rostock und Dr.

Reinhard Witte aus dem Zentralinstitut für Alte Geschichte

und Archäologie unterstützt. Zu dieser Phalanx stieß dann

ab Mitte der 1980er Jahre Prof. Georg Styl. Korrés von der

Universität Athen, der wohl unermüdlichste, immer wieder

auch materielle Mittel und Schenkungen heranschaffende

Förderer des Museums. Ich selbst muss gestehen, dass ich, ob-

wohl als Althistoriker und Hochschullehrer selbst Enthusiast,

der geradezu faszinierenden Schliemannbegeisterung und

Leidenschaft der Ankershagener Aktivisten zuerst etwas

skeptisch und zurückhaltend gegenüberstand. War die Bürde,

die sie geschultert hatten, nicht doch ein wenig zu schwer für

sie? Was hatte sich Bölke da vorgenommen? Hinzu kam, dass

ich, bedingt durch mein Studium in Moskau, zu dieser Zeit ein

eher abschätziges Schliemann-Bild mit mir herumtrug.

Indes, einWandel hatte sich bereits angebahnt. Auslöser war der

fulminante Vortrag Herrmanns im Jahre 1972 über „Heinrich

Schliemann. Wegbereiter einer neuen Wissenschaft“. Dieser

Vortrag eröffnete eine völlig neue Sicht auf den Troia-

Ausgräber. Es ging darin nicht um den Sonderling, der sich

einen vorgeblichen Kindertraum verwirklichte, sondern um

den bleibenden Beitrag, den Schliemann zur Herausbildung

und Entwicklung der Spatenwissenschaft, den er als Entdecker

Troias und „Vater der mykenischen Archäologie“ geleistet

hat. Umrissen wurde jenes Spannungsfeld zwischen Ziel und

Zweck bzw. Forschungsmitteln und Forschungsmethoden,

in welchem Schliemann Jahrzehnte unermüdlich tätig war,

sich aufrieb und zum Wissenschaftler reifte. Wiederholte

Begegnungen mit Wilfried Bölke, meist im Beisein von

Wolfgang Schindler, führten zu wachsendem Interesse an

Person und Werk des Troia-Ausgräbers, und schon fand sich

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A. Jähne, Laudatio für Joachim Herrmann. Festkolloquium im

Ägyptischen Museum (SMPK) Berlin-Charlottenburg, 25. April 2003,

SB der Leibniz-Sozietät 59, Jg. 2003, H. 3, S. 155.

mit „Schliemann in/und Russland“ ein Thema, das mich zu in-

tensiven Forschungen inspirierte, über deren Ergebnisse ich im

hiesigen Museum und in den unter seiner Federführung organ-

isierten Kolloquien berichten konnte. Die endgültige Wende

brachten dann, nachdem zwischen der Universität Athen und

der Humboldt-Universität ein bilateraler Vertag abgeschlos-

sen worden war, das Zusammentreffen mit Georg Korrés in

Mykene, Tiryns und Nauplion und ein erster, mehrwöchiger

Studienaufenthalt in Athen, wo ich in der Gennadius Library

hervorragende Arbeitsbedingungen vorfand. Damit waren

Weichen gestellt worden, die den Weg nach Ankershagen

an die Seite des Heinrich-Schliemann-Museums wiesen, ein

Weg, den ernsthafte Schliemannforscher gehen mussten, den

sie nicht mehr verlassen konnten und durften.

Sehr genau erinnere ich mich an jenen Tag im Januar 1986, als

mich Wolfgang Schindler in seine Klause im Winckelmann-

Institut der Humboldt-Universität rief. Freudestrahlend eröff-

nete er mir, dass es jetzt ein offiziell eingerichtetes Heinrich-

Schliemann-Museum gibt und Bölke hauptamtlich zu seinem

Direktor berufen worden ist. Der Teekessel summte schon,

das Getränk geriet besonders stark und erinnerte fast an den

Tee-Missbrauch im sibirischen GULAG.

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Schon befanden wir

uns im angeregten Gespräch über neue Möglichkeiten der

Schliemann-Forschung, die nun einen festen Zentralort hatte.

Pläne wurden geschmiedet. Es war ein guter Tag.

WilfriedBölkeals ersterDirektor desMuseumsverwaltetenicht

nur Museumsgut. Er war von Anfang an auch ein hervorragen-

der innovativer Organisator, der vor allem auf die Bewahrung,

die Sicherung und Restaurierung des Pfarrhauses drängte,

der perspektivisch dachte und dem ein Museumskomplex

vorschwebte, der später einmal aus Pfarrhaus, Kirche, wie-

der aufgebautem und neuen funktionalen Zwecken dienen-

dem Stall, dem Park mit dem „Silberschälchen“ und dem

Grab für Schliemanns Mutter bestehen sollte. Es ist genau

das Ensemble, das wir jetzt in Gänze vor uns haben und das

von Tausenden von Besuchern jährlich bewundert wird. Aber

Bölke war und ist außerdem ein aktiver Schliemann-Forscher

und damit von vornherein in das Netz der internationalen

Schliemann-Forschung eingebunden, und er selbst schuf ein

Netzwerk von Laienforschern, professionellen Forschern und

einfach nur wissenschaftlich Interessierten in Mecklenburg, in

Deutschland, in Europa und im transatlantischen Raum. Die

Namen all dieser Frauen und Männer zu nennen, würde den

Rahmen dieses Vortrages sprengen. Erwähnt werden sollen an

vorderer Stelle Georg Korrés (Griechenland), dann Manfred

Korfmann (Tübingen), Donald Easton (Großbritannien), David

A. Traill (USA), Edmund F. Bloedow (Kanada), Wout Arentzen

(Niederlande), Gustav Mahr (Berlin), Klaus Goldmann

(Berlin), Galina Andrusová-Vlčekova, die inzwischen ver-

storbene Urenkelin Schliemanns (Slowakei), Heinrich A. Stoll

und sein Nachlassverwalter Burkhard Unterdörfer (Thyrow)

und, nicht zu vergessen, der mit dem Museum eng verbundene

Graphiker Werner Schinko aus Röbel. Hergestellt wurden

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GULAG (Gosudarstvennoe upravlenie lagerej = Staatliche

Lagerverwaltung). Einige der Lagerinsassen schütteten 50g losen Tees in

ein tassenähnliches Gefäß, bereiteten daraus einen Sud, den sie tranken.

Die Folge war ein Rauschzustand, gefährlich für das Herz.