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7.2 Herkunft der Seevölker

Die Definition eines luwischen Kulturkreises könnte auch dabei behilflich sein,

Licht ins Dunkel um die Herkunft und den Verbleib der Seevölker zu bringen. In-

schriften in Karnak in Oberägypten und Athribis in Unterägypten aus dem 5. Jahr

des Merenptah (ca. 1213–1203 v. Chr.) erwähnen erstmals eine Auseinanderset-

zung zwischen ägyptischen Streitkräften und einer Koalition aus Libyern und

„Seevölkern“, die in der Schlacht von Saïs gipfelte. Die inzwischen berühmten

Seevölker-Attacken sind jedoch vor allem aus den Inschriften und Darstellungen

auf den Wänden des Totentempels von Ramses III. in Medinet Habu bei Luxor

bekannt. Demnach griff im 8. Jahr seiner Regierungszeit ein Bündnis von fremden

Völkern, die ursprünglich „auf den Inseln inmitten des Meeres“ lebten, Ägypten

an. Die Angreifer hätten bereits eine Reihe von Ländern im östlichen Mittelmeer

bezwungen, darunter Hatti und Arzawa. In einer ausführlich geschilderten See-

schlacht soll Ramses III. die Seevölker schließlich überwältigt haben.

In den letzten Jahren hat sich weitgehend die Überzeugung durchgesetzt, dass

die Ägäis, insbesondere der west- bzw. südkleinasiatische Raum, der Ausgangs-

punkt der Unruhen war.

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Dafür spricht auch die ägyptische Bezeichnung für die

Seevölker: „Hau-nebut“ – sie steht für „Bewohner der Ägäis“. Manche der in den

ägyptischen Inschriften aufgeführten Stämme können in Westkleinasien lokali-

siert werden, z. B. die Lukka an der südwestlichen Spitze Kleinasiens – und genau

dort sollen die Seevölker-Schiffe auch erstmals gesichtet worden sein. Tatsächlich

deutet einiges darauf hin, dass die sogenannten Seevölker ein militärisches Bünd-

nis westanatolischer und damit luwischer Kleinstaaten waren.

Archäologisch belegt ist eine Welle der Zerstörung bei den Anrainern des östli-

chen Mittelmeers, der viele städtische Zentren und insbesondere ihre Paläste zum

Opfer fielen. Auf Zypern, in Syrien und Palästina wurden Dutzende von Hafen-

städten zerstört. Die Hauptstadt Hattuša wurde verlassen und überfallen – und mit

ihr kollabierte das hethitische Reich. Doch die eigentlichen Seevölker-Invasionen

markierten nur den Anfang der großen Kulturumbrüche. Später ging auch Troja

in Flammen auf und war danach trotz teilweisem Wiederaufbau zur Bedeutungs-

losigkeit verdammt. In Mykene, Tiryns, Pylos und an anderen Orten des grie-

chischen Festlands fielen die Paläste der mykenischen Könige einer allgemeinen

Verwüstung zum Opfer.

50

Forrer 1932, S. 58; Bryce 2005, S. 338; Klinger 2007, S. 117; Abulafia 2013, S. 93.