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Der griechische Historiker Demetrius von Skepsis, der aus der Region von Troja

stammte, schrieb eine umfassende Studie über die „Trojanische Schlachtanord-

nung“ unter diesem Titel (griechisch

Tr ikos diakosmos

). Die Arbeit ist allerdings

verloren gegangen. Kurze Auszüge daraus sind bei Athenaeus und Pausanias zi-

tiert, auf die sich Strabon in seiner Diskussion der Geografie des nordwestlichen

Anatoliens häufig beruft.

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Herausforderungen

Wegen einer politisch-ideologisch motivierten Unterlassung bei der Definition

der Ägäischen Frühgeschichte vor hundert Jahren gibt es heute an kaum einem

Ort der Welt so viel Potenzial für archäologische Entdeckungen wie in West-

kleinasien. Die Erinnerung an die Luwier hat sich in vielen Dokumenten in Grie-

chenland, Kleinasien und Ägypten bewahrt. In Zukunft gilt es, diese Quellen

genauer zu untersuchen, zusammenzuführen und vor allem die noch unerforsch-

ten Städte und Siedlungen durch archäologische Ausgrabungen systematisch zu

erschließen.

Für die Entwicklung Westeuropas spielten die Luwier eine Schlüsselrolle. Auf

dem Nährboden ihrer Kultur entstand die griechische Philosophie, Dichtkunst

und Wissenschaft. Nicht ohne Grund haben sich die Westeuropäer im Mittelalter

über tausend Jahre lang vom Königsgeschlecht einer herausragenden luwischen

Stadt herzuleiten gesucht: von Troja. Hunderte Städte in Europa – darunter Rom,

Paris und London – nahmen für sich in Anspruch, nach dem Modell Trojas er-

richtet worden zu sein.

Die Begeisterung für alles Trojanische kehrte sich allerdings komplett in Ableh-

nung um, und zwar etappenweise, nachdem die Osmanen Konstantinopel erobert

(1453) und schließlich Wien sogar zum zweiten Mal belagert hatten (1683). Da-

nach wollte sich die intellektuelle Führungsschicht Mitteleuropas nicht mehr als

Nachfahren der Trojaner betrachten; stattdessen suchte und fand sie ein neues

historisches Rollenmodell: das antike Griechenland und Rom. Schließlich hatten

diese Kulturen große Regionen um das östliche Mittelmeer dominiert.

Spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelten solche auf rassistischen

Vorurteilen basierenden Bewertungen als inakzeptabel. Unterschwellig wirken

sie jedoch weiter, weil sie die Erforschung anatolischer Völker erheblich ver-

zögerten. Daraus resultieren Verzerrungen und Wissenslücken, die sich nun all-

mählich schließen.