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In den in akkadischer Keilschrift verfassten Dokumenten aus der hethitischen
Hauptstadt Hattuša wird das von der Luwisch sprechenden Bevölkerung be-
wohnte Gebiet nur anfänglich als Luwiya bezeichnet. An seine Stelle tritt spä-
ter offenbar mehr oder weniger synonym für die Luwier der Name des politisch
einflussreichsten luwischen Königreichs: Arzawa.
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Arzawa erreichte seinen
machtpolitischen Höhepunkt im 15. und Anfang des 14. Jh. v. Chr., zu einer Zeit,
als das Hethiterreich unbedeutend war. Damals war Arzawa sogar die führende
Kraft in Kleinasien, und seine Könige pflegten Kontakt mit Ägypten, wie Brie-
fe in den Amarna-Archiven belegen. Das Kerngebiet von Arzawa lag im Tal des
Büyük Menderes (Maiandros in der Antike), seine Hauptstadt Apaša wird von den
meisten Forschern als Vorgängerin des antiken Ephesos interpretiert. In Arzawa
wurde Luwisch gesprochen, was sich anhand der überlieferten Personennamen
nachweisen lässt.
Arzawa zerfiel schließlich in seine wichtigsten Bestandteile, die Kleinkönigreiche
Wiluša, Še a, Mira und apalla sowie Arzawa im engeren Sinn. Daneben nennen
die hethitischen Dokumente über ein Dutzend luwische Kleinstaaten im Westen
und Süden Kleinasiens, die die Großkönige zum Teil zeitweise zu Vasallen ma-
chen konnten, die zu anderen Zeiten aber auch als Feinde bezeichnet werden.
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Dazu zählen neben den bereits genannten Lukka, Karkiša, Pitasa, Tarhuntašša,
Kizzuwatna, Walma und Maša. Die relative Lage dieser Königreiche ist unter Ex-
perten mal mehr, mal weniger umstritten. Noch ungeklärt ist die genaue Einord-
nung des westkleinasiatischen Staats Wiluša, der laut hethitischen Schriftquellen
für kurze Zeit (1290–1272 v. Chr.) ein Vasallenstaat des Hethiterreichs war. Man-
che Forscher gehen davon aus, dass Wiluša mit Troja gleichzusetzen ist. Andere
lokalisieren es im Südwesten Kleinasiens.
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Dass die Siedlungskammer Westkleinasien eine politische und wirtschaftliche
Macht innehaben konnte, ist aus verschiedenen Dokumenten der damaligen Zeit
ersichtlich. Der hethitische GroßkönigMuršili II. berichtet, er habe bei seinen Feld-
zügen in Westkleinasien 66.000 Gefangene gemacht. Und der seinerzeit reichs-
te und mächtigste Herrscher der Welt, Pharao Amenophis III., bat ausdrücklich
darum, eine Prinzessin aus Westkleinasien heiraten zu dürfen. In seinem Toten-
tempel ließ er Luwier und Ionier aus Westkleinasien abbilden, ein halbes Jahrtau-
send bevor griechische Auswanderer diese Regionen näher kennen lernten.
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Einen aktuellen Überblick über die wichtigsten Dokumente liefern Freu/Mazoyer 2009 und Haw-
kins 2015.
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Heinhold-Krahmer 1977, S. 47; Bryce 2005, S. 338; Bryce 2011, S. 366.
48
Heinhold-Krahmer 2004; 2013.
49
Literatur bei Gander 2015.