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Ab etwa 2000 v. Chr. tauchen luwische Personennamen und Lehnworte in den alt-

assyrischen Dokumenten aus der Handelsstadt Kültepe auf. Die damals in Klein-

asien lebenden assyrischen Händler bezeichneten die einheimische Bevölkerung

als

nuwa um

, was „Luwier“ entspricht. Hethitische Gesetze und andere Doku-

mente enthalten Hinweise auf Übertragungen „in luwische Sprache“ wie auch

auf ein Land Luwiya imWesten. Über Jahrtausende hinweg war der überwiegend

von Luwisch sprechenden Völkern bewohnte Süden und Westen Kleinasiens

vermutlich unter anderem aufgrund seiner komplizierten Topografie politisch in

viele Kleinkönigreiche und Fürstentümer zersplittert. Das hat diese Region in ih-

rer wirtschaftlichen und militärischen Bedeutung geschwächt und das Erkennen

eines mehr oder weniger gleichförmigen Kulturkreises verzögert. Schriftkennt-

nisse entwickeln sich in aller Regel aus einem wirtschaftlichen Bedürfnis heraus.

Westkleinasien besaß Rohstoffe – und hatte damit trotz politischer Kleinteiligkeit

frühzeitig einen Bedarf für Schrift.

Neben den keilschriftluwischen Texten existierte auch eine eigenständige luwi-

sche Hieroglyphenschrift. Bereits 1812 sah der schweizerische Orientreisende

Jean Louis Burckhardt, der als erster Europäer Petra und Mekka besuchte, in der

syrischen Stadt Hama Steinblöcke mit unbekannten Hieroglyphen. In der ersten

Hälfte des 20. Jh. wurden viele weitere solcher Inschriften vor allem in Karkemiš

und Hattuša entdeckt, ohne dass Wissenschaftler sie einer Sprache oder Zivilisa-

tion hätten zuordnen können. Im Jahr 1917 entzifferte der österreichisch-tsche-

chische Sprachwissenschaftler und Altorientalist Bed

ř

ich Hrozný die Keilschrift-

tafeln der Hethiter. Daraufhin gelang es dem schweizerischen Assyriologen und

Hethitologen Emil Forrer 1919 erstmals, Dokumente aus den Keilschriftarchiven

in luwischer Sprache zu lesen. Aber erst nach der Publikation des Großteils der

keilschriftluwischen Texte aus Hattuša ab 1953 konnten keilschriftluwische und

hieroglyphenluwische Texte in Relation zueinander gebracht werden, und damit

wurde Hieroglyphenluwisch mit seinen insgesamt 520 Zeichen im Laufe der

1950er Jahre weitgehend verständlich. Die Hieroglyphenschrift lässt sich inzwi-

schen bis 2000 v. Chr. zurückverfolgen

42

und ist während eines Zeitraums von

rund 1400 Jahren, also bis 600 v. Chr., belegt. Die frühesten Zeugnisse sind Be-

amtensiegel, bei denen Name und Titel im Zentrum mit Hieroglyphen geschrie-

ben, aber von Keilschrifttexten umgeben sind.

Vor allem im letzten Jahrhundert des hethitischen Reichs entstanden länge-

re Hieroglypheninschriften. Dazu zählt die 8,5 Meter breite Ni

ş

anta

ş

-Inschrift

(Zeichenstein) in Hattuša, in der der letzte hethitische Großkönig, Šuppiluliuma

42

Woudhuizen 2015, S. 21: „The earliest datable document in an Indo-European tongue.“