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vollumfänglich bestätigt werden. Durch die Fokussierung auf die europäischen
Ufer der Ägäis bzw. die Küstenstützpunkte der mykenischen Kultur in Westklein-
asien hat die archäologische Forschung tatsächlich einen Kulturkreis bis heute
komplett übersehen.
Ein Forschungsprogramm ist dann hypothetisch-deduktiv, wenn es falsifizierbare
Hypothesen formuliert, die also an empirischen Befunden scheitern können. Auf
welchem Weg die Hypothesen zustande gekommen sind, spielt dabei eine unter-
geordnete Rolle. Sofern sie konsistent, plausibel und empirisch überprüfbar sind,
müssen sie als wissenschaftlich bezeichnet werden.
Wir folgten diesen Schritten:
1. Formulierung von plausiblen und gut begründeten Hypothesen (hypothe-
tisch-deduktiver Ansatz)
2. Sammlung und Erfassung von Beobachtungen aus einem möglichst brei-
ten Spektrum naturwissenschaftlicher Disziplinen (empirische Methode)
3. Kritische Überprüfung von ursprünglichen Beobachtungen und Sam-
meln von neuen Daten
Die Hypothese, dass es im Westen Kleinasiens einen bisher kaum erforschten
Kulturkreis gab, der unter anderem eine entscheidende Rolle beim Untergang des
hethitischen Reichs spielte, ist in sich konsistent. Sie lässt sich durch Gelände-
arbeiten verifizieren oder falsifizieren. Eberhard Zangger und Serdal Mutlu ha-
ben z. B. vor kurzem argumentiert, dass eine mindestens 5,1 Meter tiefe Grabung
etwa 300 Meter westlich vom Burghügel Hisarlık (an der Bohrstelle 128 des Geo-
archäologen Ilhan Kayan) genügen sollte, um zu überprüfen, ob die eigentliche
spätbronzezeitliche Stadt Troja unter den Sedimenten in der Ebene des Karamen-
deres begraben liegt.
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Wenn die in der Archäologie angewandte Methodik dazu führt, dass ein ganzer
Kulturkreis übersehen wird, scheint es sinnvoll, einen methodisch anderen Ansatz
anzuwenden, um die Lücke zu füllen.
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Die Erfassung der Fundstätten erfolgte
daher konsequent auf der Basis naturwissenschaftlicher Methodik. Aspekte wie
die Verbreitung natürlicher Ressourcen, die physiografischen Gründe für die Wahl
eines Siedlungsplatzes, Siedlungsmuster, Handelsströme sowie geostrategische
Überlegungen erlangen so einen hohen Stellenwert. Detaillierte Informationen
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Zangger/Mutlu 2015.
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Albert Einstein: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie ent-
standen sind.“