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licht, sich aber nie zur Mittel- und Spätbronzezeit geäußert. Während verschiede-

ne Experten freiwillig Datenbankeinträge für alle Abschnitte der Kulturgeschichte

liefern, gibt es keine Person, die im Rahmen des TAY für die Spätbronzezeit zu-

ständig wäre. Wie reichhaltig das Material ist, das es zu erfassen gäbe, zeigen nun

die Proceedings von

NOSTOI

, einer Konferenz, die 2011 in Istanbul stattfand.

Dieser Band liefert einen ersten Überblick über den gegenwärtigen Wissensstand

in der grabenden Archäologie in Westkleinasien

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und auf den Ägäischen Inseln,

ohne jedoch zu einer Synthese zu gelangen.

Hin und wieder stößt man als Erklärung für das fehlende Interesse an der Spät-

bronzezeit Westkleinasiens auf die Vermutung, dass dort überwiegend unzivili-

sierte halbnomadische Reitervölker heimisch waren.

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Allerdings sprechen die vie-

len ausgedehnten und artefaktreichen Siedlungshügel, die eine jahrtausendelange

Sesshaftigkeit belegen, und die seit 2000 v. Chr. in der Region nachgewiesene

Schriftkenntnis eine andere Sprache.

Das Interesse des Erstautors, die verstreut bereits vorhandenen Informationen

über die Besiedlung und Kultur Westkleinasiens im 2. Jt. v. Chr. zusammenzufas-

sen, weckte der Tübinger Althistoriker Professor Frank Kolb mit einem Vortrag

über aktuelle Ausgrabungen in der Region, den er 2011 im Rahmen des 10. Hein-

rich-Schliemann-Kolloquiums hielt. Seither haben die Autoren insgesamt 340

nennenswerte Siedlungsplätze des 2. Jt. v. Chr. westlich der Linie Eskişehir-An-

talya katalogisiert und kartografisch erfasst. Die vorliegende Arbeit liefert einen

ersten Überblick über die Resultate.

2

Material und Methoden

Die hier vorgestellte Untersuchung ist in erster Linie einer hypothetisch-deduk-

tiven Methodik verpflichtet. Sie beginnt mit der 1995 vom Erstautor publizierten

Feststellung, dass die Verbreitung bekannter Kulturkreise im östlichen Mittel-

meerraum eine sachlich nicht begründbare Leere im Westen der Türkei aufweist,

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die sich nur durch eine Forschungslücke erklären lässt. Diese Hypothese konnte

durch die große Anzahl, die Ausdehnung und den Artefaktenreichtum der in West-

kleinasien vorhandenen, bis heute weitestgehend nicht erforschten Tellsiedlungen

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Pavúk 2015.

8

Mellaart 1995, S. iii: „[We had hoped] to free Western Anatolia from the stigma of being illiterate,

backward and at best provincial.“ – Auch der Begriff „Barbaren“ als Sammelbezeichnung für alle

Nichtgriechen geht auf die kleinasiatischen Karer zurück. Homer (

Ilias

2.867) sagt, sie hätten „bar-

barische Rachelaute“ (barbarophonoi).

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Zangger 1995, Tabelle S. 28.