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Erasmus-Koordinator des Winckelmann-Institutes. Er beeindruckte seine Studen-

ten, so auch mich, durch sein unerschöpfliches, stets abrufbares Wissen über die

ägäische Kultur. Mehrere Seminare und Vorlesungen belegte ich bei ihm, so auch

das über die Minoische Wandmalerei, bei der er seine persönlichen Grabungser-

fahrungen aus Kreta, besonders zu Amnisos, einfließen lassen konnte.

Dr. Stürmer war ein streitbarer Geist! Unbeirrbar setzte er sich nicht nur für die

Erhaltung des Namens „Winckelmann-Institut“, sondern auch für den Erhalt und

die Wiedereinrichtung der unvergleichbaren Sammlung des Winckelmann-Institu-

tes ein. Er war ein bekennender Gegner der Studienreformen (O-Ton Dr. Stürmer:

Studium Bolognese) und der Abschaffung der Magisterstudiengänge; er kämpfte

gegen den Anglizismus, in dem er sich weigerte, die neuen Ausbildungsbezeich-

nungen Bachelor und Master zu verwenden. Er benutzte die Bezeichnung Baccal-

aureus.

Im wahrsten Sinne des Wortes war er nicht nur ein Bewahrer der Tradition, son-

dern setzte sich vehement für deren Erhalt ein, sei es bei den Umbauarbeiten in der

Humboldt-Universität und im Winckelmann-Institut, bei dem Wiederaufbau des

Berliner Stadtschlosses oder dem Wiederaufbau des Neuen Museums. Seine Mei-

nungsäußerungen waren sachlich fundiert, die Argumentation scharf formuliert,

sein Sarkasmus gefürchtet.

Mit scheinbar unerschöpflicher Energie verfolgte und realisierte er seine Projekte:

Grabungen in den Semesterferien auf Kreta, Lehrgrabungen in Porolissum (Ru-

mänien), im Verein für Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg, die Wie-

dererrichtung der Gipsabgusssammlung der Universität Havanna, die Rezeption

der minoischen Kultur im 20. Jahrhundert (Vater und Sohn Gilliéron). Das war

seine Art, das Feuer weiterzugeben.

Beider Tod im Jahre 2013 riss eine Lücke, die schwer zu schließen ist.

Eduard Gerhards Lebensabriss

Am 29. November 1795 wurde Friedrich Wilhelm Eduard Gerhard (Abb. 3) in

Posen geboren. Seine Eltern, Regierungsrat Johann David Friedrich Gerhard und

Sophie Nösselt, weckten in dem Kind schon früh das Interesse an Kunst und Lite-

ratur. Besonders seine Mutter war während ihres Aufenthaltes in Jena dem Schil-

lerschen Kreis nahe gekommen. In der Einöde Posens vermissten beide Elternteile

diese Kontakte sehr. Im Jahr 1800 erfolgte durch die Versetzung des Vaters nach

Breslau der Umzug der Familie.