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Universität in Berlin wechseln. Hier hörte er Vorlesungen bei Friedrich August

Wolf

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, August Boeckh

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und Friedrich Schleiermacher

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, aber auch juristische Vor-

lesungen bei Friedrich Carl von Savigny

8

. Vor allemAugust Boeckh erkannte früh

die philologische Begabung des jungen Gerhard. Er übertrug ihm das Lesen an-

tiker Handschriften (beim CIG)

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. Diese Aufgabe erledigte Gerhard mit der ihm

eigenen Energie und Ehrgeiz, mit dramatischen Folgen: Er überanstrengte seine

Augen derart, dass er bleibende Schäden davontrug.

Seine Dissertation über Apollonius von Rhodos

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reichte Gerhard am 17. April

1815 mit einer in lateinischer Sprache verfassten Bitte um Annahme bei der Fa-

kultät ein. In einem beschleunigten Verfahren, sicher dem drohenden Krieg gegen

Napoleon geschuldet, examinierte ihn August Boeckh bereits am 24. April. Den

öffentlichen Vortrag hielt Gerhard am 29. April. Wegen einer noch fehlenden Pro-

motionsordnung – 5 Jahre nach der Gründung der Berliner Universität – konnte

das Promotionsverfahren am 1. Juli 1815 mit einem Vortrag über das altgriechi-

sche Digamma mit einem „Doktor rite promotus“ abgeschlossen werden. Somit ist

Eduard Gerhard der erste Doktor der Berliner Universität.

Eine Universitätskarriere anstrebend und unter dem Einfluss des ersten Professors

für Kunstgeschichte, Aloys Hirt, befasste sich Eduard Gerhard mit den Schriften

Johann Joachim Winckelmanns. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, eine An-

stellung in Berlin zu bekommen, kehrte Gerhard nach Breslau zu seinen Eltern

zurück. Am 16. März 1816 habilitierte er sich an der dortigen Universität. Ziel war

es, als Privatdozent Vorlesungen über Pindar, Thukydides und „Attische“ Anti-

quitäten zu halten. Die Beendigung seiner Vorlesungen mit einem „impertinenten

Epilogus gegen das Philologenpack“ förderte seine Position an der Universität in

Breslau nicht, im Gegenteil, sie wurde als anmaßend aufgenommen und behinder-

te seine weitere Karriere auf lange Zeit. So blieb keine andere Möglichkeit, in Po-

sen eine Stelle im Schuldienst anzunehmen. Frustriert und unbelehrbar rief er mit

seinem Breslauer Schulfreund Friedrich August Wernicke und Moritz Hermann

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Wolf, Friedrich August, (15.02.1749 – 08.08.1824), klass. Philologe und damals führender Alter-

tumsforscher.

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Boeckh, August, (27.11.1785 – 03.08.1867), klass. Philologe, Hauptvertreter der „Sachphilologie“

und Leiter des CIG.

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Schleiermacher, Friedrich, (21.11.1768 – 12.02.1834), Altphilologe und Philosoph, besonders sei-

ne Arbeiten zu Platon sind noch heute anerkannt.

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von Savigny, Carl Friedrich, (21.02.1779 – 25.10.1861), Rechtsgelehrter und Begründer der histo-

rischen Rechtsschule.

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CIG: Corpus inscriptionum Graecarum: Sammlung aller antiken griechischen Inschriften, im 19.

Jh. unter der Leitung von A. Boeckh erstellt.

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Apollonius von Rhodos, (295 v. Chr.- 215 v. Chr.), griech. Gelehrter und Dichter, Leiter der legen-

dären Bibliothek von Alexandria – Argonautika ist sein Hauptwerk.