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damals eher unübliche Form, und glaubt man seinen Biografen, so wurde sein
Schädel und sein Gehirn bis zum 2. Weltkrieg in London aufbewahrt, um seiner
Intention als Anthropologe gemäß späteren Vermessungen zu dienen. Seine sterb-
lichen Überreste wurden in Tollard Church beigesetzt.
Pitt Rivers als Sammler, Ethnologe und Anthropologe
Seit den 1850er Jahren erwarb Pitt Rivers umfangreiche Sammlungen. Begonnen
mit einer Waffensammlung weitete er das Spektrum auf alle möglichen anderen
Objekte aus. Ziel war es, die Entwicklung der Technologie materieller Kultur zu
verdeutlichen. Geprägt von der damals ganz neuen darwinschen Evolutionstheorie
vertrat er die Ansicht, dass sich auch die Kultur nach den Gesetzen der Evolution
entwickelt.
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Die Entwicklung der Gebrauchsgegenstände menschlicher Kultur voll-
ziehe sich parallel zu der in der Natur und könne in Gattungen, Arten und Rassen
eingeteilt werden. Dabei ist eine Entwicklung vom Niederen zum Höheren zu ver-
zeichnen. So meinte er, Evolution in der Natur sei nichts anderes als Geschichte in
der Kultur. Die Entwicklung der Werkzeuge, Waffen und anderer Gebrauchsgegen-
stände ließen sich in Reihen ordnen, die unabhängig ihrer Herkunft in kleinen Ent-
wicklungsschritten erfolgten. Wäre zum Beispiel die Form einer Axt gefunden und
hätte sich in der Praxis bewährt, so würde diese Form beibehalten, auch wenn sich
das Material ändere. Änderungen würden sich dann in kleinen Schritten vollziehen.
Die Praxis entscheide dann über die Eignung. Würden Verbesserungen erzielt, so
behielte man sie bei, bewährte sich die Änderung nicht, würde sie verworfen.
Bekannt ist das Beispiel von den Entwicklungsreihen des Bumerangs. Pitt Rivers
wertete hierbei Material aus Australien und Ägypten aus. Er ließ Repliken von
Bumerangs nach Originalen fertigen und untersuchte experimentell ihre Flugei-
genschaften.
Ausgehend von den Evolutionsreihen in der Natur, deren Lücken man durch Fos-
silien schließen konnte, vertrat der General die Meinung, kulturelle Entwicklungs-
reihen beginnend mit primitiven Gebrauchsgegenständen der indigenen Völker in
ihrer technischen Entwicklung verfolgen zu können. Dort, wo sich Lücken in der
Entwicklung auftun, könne man diese durch prähistorische und anthropologische
Funde schließen. Dafür benutzte er den Begriff der Typologie. Genauer gesagt,
heißt das, dass er seine Sammlung typologisch ordnete und versuchte, innerhalb
dieser Ordnung chronologisch vorzugehen. Damit deckt sich seine Auffassung mit
der von Hildebrand, einem schwedischen Archäologen.
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Eine Auffassung, vor der Darwin selbst mit Recht warnte.