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wenigen Semestern als Lehrer in Berlin und Schulpforta erhielt er im Herbst 1864
das begehrte Reisestipendium nach Italien zugesprochen, das ihm die Möglichkeit
zu Studien in Italien, Sizilien, Griechenland und der Türkei bot. Der Habilitation
in Göttingen im Jahr 1868 folgte eine Professur in Zürich (1869–1871), die durch
die deutsch-französischen Unruhen in der Schweiz ein frühes Ende fand. Nach
einer kurzen Zeit als Honorarprofessor in München erhielt er 1872 eine Berufung
nach Prag, ehe er 1877 als Nachfolger Alexander Conzes nach Wien wechselte,
wo er bis 1898 an der Universität wirkte und zum Begründer der Ausgrabungen
in Ephesos und des Österreichischen Archäologischen Instituts wurde. Er verstarb
nach kurzer Krankheit imAlter von 68 Jahren am 2. Jänner 1907 in seiner Wiener
Wohnung.
11
Die ersten Belege für eine fachliche Auseinandersetzung Otto Benndorfs mit
Heinrich Schliemann lassen sich derzeit im Jahr 1873 fassen. Ausgangspunkt wa-
ren Veröffentlichungen von Heinrich Schliemann in der Augsburger Allgemeinen
Zeitung über seine Entdeckungen in Troja.
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Benndorf, selbst Verfasser mehre-
rer Beiträge und Anzeigen in der Augsburger Allgemeinen Zeitung, kannte diese
Artikel natürlich. Wie andere Fachwissenschaftler war auch er von diesen neuen
Funden und Befunden elektrisiert und besprach sie in Korrespondenzen, unter an-
derem mit Reinhard Kekulé von Stradonitz, der sich auch nach Zeitungsberich-
ten über Conzes von enormem öffentlichen Interesse begleiteten Vortrag „Ueber
Dr. Schliemanns trojanische Ausgrabungen“, gehalten am 13. November 1873 im
Österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien, erkundigte.
13
Grund-
sätzlich bemängelte man, dass Schliemann seinen Grabungsergebnissen mit zu
wenig kritischer Unbefangenheit gegenüberstand, die Befunde phantasievoll be-
nannte („Schatz des Priamos“ u. dgl.) und die materiellen und schriftlichen Quel-
len bunt vermischte.
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Benndorf erkannte aber auch das Potenzial, das diese Funde
in sich bargen.
11
Conze 1909; Zavadil 2009, S. 384; Szemethy 2012.
12
Z. B. Schliemann 1873a; Schliemann 1873b. Überarbeitete Fassungen in Schliemann 1874,
S. 1–178. Vgl. zur zeitgenössischen Kritik an Schliemann bzw. zu den frühen Berichten Schlie-
manns über seine Grabungen Samida 2009; Samida 2011a; Samida 2011b; Samida 2011c; Samida
2012, S. 89f. 104–108; Zavadil 2015.
13
Brief von Reinhard Kekulé von Stradonitz aus Bonn an Otto Benndorf in Prag, 19. Dezember 1873
(DAI Berlin, Archiv, Nachlass Otto Benndorf): „Kannst Du mir nicht eine Wiener Zeitung mit
einem Referat über Conzes Rede Troja und Schliemann betreffend verschaffen? Ihn selbst mag ich
nicht darum angehen.“ – Zu Alexander Conze und Schliemann sowie zum Wiener Vortrag Conzes
s. den Beitrag von K. R. Krierer in diesem Band, S. 257.
14
Vgl. Zintzen 1998, S. 305–308; Sinn 2003, S. 39–41; Samida 2011b, bes. S. 81.