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ihr 120-jähriges Bestehen feierten. John Turtle Wood hatte hier ab 1864 auf der

Suche nach dem Tempel der Artemis im Auftrag und auf Kosten des British Mu-

seum erste archäologische Ausgrabungen vorgenommen und dabei u. a. reliefier-

te Säulentrommeln vom späteren Tempel gefunden, 1874 die Grabungen aber

wegen geringer Ausbeute eingestellt. Benndorf war im Finden glücklicher. Die

anfänglich gemachten spektakulären Ergebnisse, etwa der bereits im zweiten Jahr

der Grabungen (1896) gemachte Fund der Bronzestatue eines Athleten im Hafen-

gymnasium, hatten die Ausgrabung rasch weltberühmt und den Grabungsleiter

bekannt gemacht. Und vielleicht machte ihn sein Finderglück für manche mit

Schliemann vergleichbar – zumindest in Amerika, wo diese beiden Grabungsorte

und ihre Ausgräber auch in neueren Publikationen in Bezug zueinander gesetzt

wurden: „It was Benndorf who, by excavating Ephesus, achieved a credible Vi-

ennese equivalent to Schliemann’s Ilios.“

3

Dabei wird allerdings übersehen, dass

Benndorf nicht nur von seiner sozialen Herkunft, der schulischen Ausbildung

und seinem weiteren Lebenslauf her so gut wie keine Parallelen zu Schliemann

aufweist, sondern dass auch sein durch wissenschaftliche Ausbildung geschultes

methodisches Vorgehen sowohl in Publikationen als auch bei der Durchführung

archäologischer Grabungen nicht zu vergleichen ist. Die von Benndorf angewen-

deten Praktiken der Öffentlichkeitsarbeit lassen ebenfalls keinen Vergleich mit

Schliemann, dem „Medienstar“ der archäologischen Forschung des 19. Jahrhun-

derts, zu.

4

Es wird im Folgenden in meinem Beitrag nicht um einen Vergleich der Grabun-

gen Benndorfs in Ephesos mit jenen von Schliemann in Troja gehen. Ich wer-

de auch nicht

auf jene Dokumente eingehen, die die Einbindung Benndorfs in

die Trojakonferenzen betreffen. Diese hat Michaela Zavadil in ihrer gründlichen

Aufarbeitung des „trojanischen Federkrieges“ erschöpfend ausgewertet. Freilich,

die direkten Korrespondenzen zwischen Benndorf und Schliemann sind sehr

bescheiden, bedenkt man, dass die Nachlässe der beiden zigtausende Schreiben

umfassen: jeweils nur ganz wenige Briefe befinden sich imArchiv der Gennadius

Library der American School of Classical Studies at Athens (Schliemann Papers)

5

bzw. in Benndorfs wissenschaftlichem Nachlass in der Sammlung von Hand-

schriften und alten Drucken der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien

6

,

der mit seinen 13.209 Stück von 1.513 Schreibern zu den umfangreichsten Nach-

lässen deutschsprachiger Archäologen zu zählen ist.

3

O’Donoghue 2004, S. 667.

4

Vgl. dazu Samida 2011c; Szemethy 2015, bes. S. 134.

5

Zavadil 2009, S. 134f. Nr. 3; S. 154f. Nr. 20; S. 155 Nr. 21; S. 218f. Nr. 88; S. 225–227 Nr. 97. Ich

danke Natalia Vogeikoff-Brogan für ihre Unterstützung bei meinen Recherchen.

6

Zavadil 2009, S. 229f. Nr. 101; S. 281f. Nr. 164; S. 315f. Nr. 191.