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sche und prähistorische Fragestellungen, politische Reden und Aufsätze sind dabei

nicht erfasst (14). Daneben steht noch ein ungeheuer umfangreicher Briefwechsel,

von dem der mit Heinrich Schliemann nur einen Ausschnitt darstellt, wenn auch

den umfangreichsten mit einem einzelnen Korrespondenzpartner (6).

Aus dem Komplex Anthropologie und Urgeschichte möchte ich auf zwei Themen

etwas näher eingehen und dabei den Arbeitsstil Virchows herausarbeiten, der ihn

letztlich auch befähigte, zu einem korrigierenden Berater Schliemanns auf wissen-

schaftlichem und wissenschaftspolitischem Gebiet zu werden.

Virchow prägte den Begriff der

Lausitzer Kultur

und umriss damit eine spätbron-

zezeitliche Kulturphase zwischen Weichsel und Elbe. Er grenzte sie ab von späte-

ren slawischen Kulturschichten. Sein Vorgehen war für die damalige Zeit bemer-

kenswert. Virchow hat zunächst systematisch das ihm zugängige Fundmaterial in

den verschiedenen Sammlungen und Museen besichtigt (Übersicht bei 1). Dabei

bemerkte er früh, dass Einzelstücke nur etwas aussagen im Zusammenhang mit

den konkreten Fundumständen. Einzelne Buckelvasen z. B. befanden sich bereits

seit 1829 in der prähistorischen Sammlung der Königlichen Museen zu Berlin.

In zahlreichen eigenen Exkursionen und Grabungen ging er dann dem Kontext

dieser Keramik nach und konnte sie als Leitbefund für eine vor der slawischen

Burgwall und Pfahlbausiedlung liegenden bronzezeitliche Kultur nachweisen. Die

intensivsten Grabungen führte er ab 1873 selbst in Zaberowo, bei Posen, durch

(21). Hier fand er ein riesiges Urnengräberfeld, über das er auf der Sitzung der

Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU)

1873 berichtete:

„Die Urnen stehen stets gruppenweise zusammen, und zwar meist unmittelbar in

der Erde; grössere Steine finden sich nur vereinzelt. In der Mitte jeder Gruppe

steht eine grosse, gewöhnlich schmucklose Aschen-Urne, welche bis hoch her-

an gebrannte und zerschlagene Menschenknochen, denen einzelne nicht reiche

Broncesachen beigemischt sind, enthält“

(21).

Buckelurnen fand Virchow hier nicht, Vergleiche mit Keramikfunden aus der Lau-

sitz führten ihn zu der auch heute noch geltenden Ansicht, dass er es mit einer

späten Phase der Lausitzer Kultur zu tun habe, die heute der früheisenzeitlichen

Schlesischen Gruppe der Lausitzer Kultur zugeordnet wird. In Burg im Spreewald

grub er vor der Zerstörung eines Burgberges durch einen Eisenbahnbau. Dabei

fand er unter einer slawischen Kulturschicht zahlreiche Keramikfunde aus der

älteren Kultur. Es handelte sich bei dieser Grabung um eine der frühesten stra-

tigraphischen Untersuchungen mit der Verwendung von bekannter Keramik als

Leitbefund. Er nutzte bei seinen Grabungen auch naturwissenschaftliche Untersu-