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sellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte eine besondere Rol-
le spielte. Auf Vorschlag Virchows wurde Schliemann 1877 Ehrenmitglied der
DGAEU und später auch Ehrenbürger von Berlin. Die Schliemannsche Schen-
kung ist sicherlich in diesem Zusammenhang ein Verdienst Rudolf Virchows.
Für Schliemann, den Sohn eines aus moralischen Gründen suspendierten Pfar-
rers aus Mecklenburg, bedeutete zweifellos ein Dankesbrief des Deutschen Kai-
sers Wilhelm I. eine hohe Genugtuung und persönliche Bestätigung.
Bereits nach der gemeinsamen Grabung 1879 in Troia wurde der Kontakt enger.
Virchow beteiligte sich intensiv an der Vorbereitung der deutschen und engli-
schen Ausgabe von „Ilios- Stadt und Land der Trojaner“ (12), las Druckfahnen,
beriet und mäßigte Schliemann in seiner enthusiastischen Begeisterung. Bereits
in seinem Vorwort für dieses Hauptwerk Schliemanns wird jedoch auch die
Distanz deutlich. Für Virchow blieb es immer unbewiesen, dass Hisarlık und
das homerische Troia identisch sind, Schliemann hatte daran keinen Zweifel
(26).
Am bereits erwähnten Buch „Ilios“, erschienen 1881 bei Brockhaus, lässt sich
die Zusammenarbeit beider gut darstellen:
1. Virchow schrieb die Vorrede auf ausdrücklichen Wunsch Schliemanns, ver-
gleichbar mit einer Vorrede von Gladstone zu Schliemanns Werk „Mykenae“
(1878). Damit hatte Schliemann sich einen wichtigen Fürsprecher seines Wer-
kes gesichert. Virchow seinerseits betonte seine Anwesenheit bei der Ausgra-
bung der „gebrannten“ Stadt und den Fleiß seines Freundes. Dort heißt es dann:
„Aber ganz von selbst ist an die Stelle der Phantasie die nüchterne Forschung
getreten. Mit jedem Jahr sind die Thatsachen mehr zur Geltung gelangt. Das
Streben nach Wahrheit, nach ganzer und voller Wahrheit hat zuletzt die Vor-
aussetzungen der Dichtung so sehr in den Hintergrund gedrängt, dass ich, der
Naturforscher mit der Gewohnheit der kältesten Objektivität, mich gedrängt
fühlte, meinen Freund daran zu erinnern, dass der Dichter doch nicht bloss
Dichter war, dass auch seine Bilder einen objektiven Grund haben mussten und
dass nichts uns hindern dürfe, die Wirklichkeit, wie sie sich uns darstellte, in
Verbindung zu setzen mit den alten Sagen …Ich freue mich, dass das Buch, wie
es nun vorliegt, beiden Forderungen Genüge leistet …
Die Ausgrabungen von Hissarlik würden einen unvergänglichen Werth haben,
auch wenn die Ilias niemals gedichtet worden wäre. Nirgends in der Welt ist
eine gleiche Zahl übereinandergelagerter Reste alter Ansiedlungen mit so rei-
chen Einschlüssen aufgedeckt worden…“
(12, S X ff).