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2. In das dann folgende umfangreiche Buch Schliemanns, ausgestattet mit vielen
Zitaten und Fußnoten, sind immer wieder Informationen naturwissenschaftlicher
Art einbezogen, die einzelne Sachverhalte näher definieren oder beschreiben,
metallurgische, geologische, chemische, botanische und zoologische Untersu-
chungsergebnisse, die zum Teil von Experten aus Virchows Umfeld stammen,
zum Teil auch aus Virchows „Beiträgen zur Landeskunde der Troas“ (6, z. B.
Brief 109 Schliemann). Seit 1879 hatte er insbesondere vor der BGAEU wieder-
holt über seine Trojanischen Beobachtungen berichtet und später zusammenge-
fasst (24). Auch im Briefwechsel ab 1879 werden viele Einzelbefunde, die später
im Buch auftauchen, diskutiert, einige Details hat Schliemann dann in die engli-
sche Auflage später aufgenommen (Übersicht und Einzelheiten siehe 6). Am häu-
figsten jedoch zitiert Schliemann erwartungsgemäß Homer und versucht bereits
in der Landeschilderung Beziehungen zwischen der gefundenen Gegenwart und
dem Epos zu finden.
3. Interessant sind Virchows Untersuchungen an gefundenen Schädeln eines
Mädchens aus Troia II und von 2 Kriegern mit Helmen aus Troia III, der „ver-
brannten Stadt“. Die Schädelreste wurden unter Kontrolle Virchows rekonstruiert
und dann von ihm umfangreich vermessen. Seine Zeichnungen und Beschreibun-
gen sind in das Buch aufgenommen (12, Abb. 147, 969-972, 973-976). Virchow
kann die Schädel letztendlich nicht einer bestimmten Bevölkerung zuordnen und
schreibt schließlich (12, S.570):
„In vollstem Maasse gilt von diesen Schädel(n) … dass die Knochen den Ein-
druck einer mehr zarten civilisirten, sesshaften Bevölkerung machen. War diese
Bevölkerung, wie es scheint, eine vorzugsweise dolichocephale, so hat man die
Wahl zwischen arischen, semitischen und allenfalls hamitischen Stämmen. Eine
bestimmte Entscheidung darüber lässt sich vom rein anthropologischen Stand-
punkt noch nicht geben, jedoch kann ich sagen, dass der letzte Schädel (Abb. 973)
inmitten altgriechischer Schädel wohl kaum zu unterscheiden wäre.“
Virchow
akzeptiert hier, vielleicht unwillig, die Grenzen der Kraniologie, er kann „semiti-
sche von arischen“ Schädeln
nicht
unterscheiden!
Zu einem gleichen Ergebnis kommt er übrigens auch in seiner Arbeit „Alttrojani-
sche Gräber und Schädel“ (25). In dieser längeren Abhandlung von 1883 wurden
zusätzlich zu denen aus Hisarlık auch noch 16 von Frank Calvert in der Troias
gefundene Schädel untersucht. Seine Zusammenfassung lautet:
„ZumeinemgrossenBedauern bin ich ausser Stande anzugeben, anwelchenMerk-
malen man mit Sicherheit zu erkennen vermag, ob ein gewisser Schädel, dessen
Herkunft unbekannt ist, ein arischer oder ein semitischer oder ein hamitischer sei.