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der zu seinen Bekannten zählte, mit der Bitte, ihm Zutritt in Athenische Familien

zu verschaffen. Er gestand, dass er die Absicht hege, eine Frau zu suchen, und dass

seine erste Bedingung bei der Wahl einer solchen, Kenntnis und Verständnis des

Homer sei. Der Bischoff reichte ihm mit Vergnügen seine hülfreiche Hand, und

zog einen in Athen lebenden Bruder mit in’s Interesse.

Nun ergab ein glücklicher Zufall, dass derselbe ein Verwandter von Frau

Schliemann’s Mutter war, und oft über die unbesiegbare Sucht ihrer Tochter, im-

mer den Homer zu durchstöbern, hatte klagen hören. Was war da natürlicher, als

dass er sich zuerst an diese wandte, und sie veranlasste Fr[au] Schl[iemann] photo-

graphieren zu lassen. Dies geschah, um das junge Mädchen nicht zu beunruhigen,

unter dem Vorwand, dass die Eltern ein Bild aus der Zeit, in der sie ihnen wieder

gegeben worden sei, zu besitzen wünschen. Das Bild wurde Schliemann über-

mittelt, und gefiel ihm so sehr, dass er von Amerika aus, wo er sich eben befand,

telegraphirte, er werde mit dem nächsten Dampfer nach Athen abreisen, und bitte,

die Hand des Fräuleins inzwischen an keinen Anderen zu vergeben.

Er kam an, man vermittelte eine Zusammenkunft an drittem Ort, und das junge

Mädchen ward hinbegleitet. Ahnungslos, wie sie war, behauptete sie, Schliemann

nicht beachtet zu haben, was bei seinem stillen Wesen erklärlich ist. «Wann kam

doch Hadrian nach Athen?» frug er sie plötzlich. «115» erwiderte sie unbefangen.

Später wollte er den genauen Wortlaut eines Homerischen Verses wissen, den er

behauptete vergessen zu haben. Fr[au] Schl[iemann] sagte ihn her, damit endete

aber auch ihre ganze Unterhaltung. Tags darauf wurde ihr Schliemann’s Werbung

mitgetheilt und erklärt, dass sie sich auf die in 8 Tagen stattfindende Hochzeit

vorzubereiten habe.

«Ich war 17 Jahre alt», sagte sie, «verstand nur mein Griechisch, und wusste nichts

von der Welt. Sie eröffnete sich mir aber an einem schönen Punkte. Heinrich führ-

te mich sofort nach Sorrento, wo wir einige Zeit verblieben.»

Die Dame ist jetzt 30 Jahre alt, also sehr jung im Verhältnis zu ihrem Mann. Er

behandelt sie aber mit so gütiger Fürsorge und väterlichem Zartsinn, dass sie hof-

fentlich die fehlende Jugend leicht verschmerzt.

Der kleine 3 jährigeAgamemnon ist ein wundervolles Kind mit goldblonden langen

Locken, schneeigem Teint, und grossen braunen Augen voll lieblichster Schelme-

rei, die 11 jährige Andromache ist ein braunes, kluges Mädchen, mit regelmässiger

Gesichtsbildung. Sie werden von einer Engländerin bewacht, die man aber natür-

lich Eurykleia nennt. Die Kinder haben, um die ihnen endlos scheinenden Reisen,

welche sie jedes Jahr mit den Eltern unternehmen, abzukürzen, Papier und Scheren