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Besuch Schliemanns in Wien vom 7. bis 9. November 1864.
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Er stieg im Ho-
tel „Österreichischer Hof“
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in der Rotenturmstraße in der Nähe des Stephans-
doms ab und absolvierte tagsüber gemeinsam mit einem Fremdenführer das auch
jetzt noch übliche Touristenprogramm: Stephansdom, Winterreitschule, Hofburg,
Schönbrunn, Kapuzinergruft und Prater. Am ersten Abend besuchte er das Hofo-
perntheater, wo er „Alessandro Stradella“ von Friedrich von Flotow (1812–1883)
hörte. Die beiden folgenden Abende verbrachte Schliemann im Hofburgtheater:
Er sah die heute vergessenen Lustspiele „Die Memoiren des Teufels“ von Étienne
Arago (1802–1892) und Paul Vermond sowie „Die erste Liebschaft“ von Eugène
Scribe (1791–1861) in der Übersetzung von Theodor Hell (1775–1856) und Schil-
lers (1759–1805) Dramen „Wallensteins Lager“ und „Die Piccolomini“.
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Der nächste Aufenthalt Schliemanns in Wien scheint erst Anfang Mai 1870 statt-
gefunden zu haben – dieses Mal gemeinsam mit Sophia und deren Schwester
Margo.
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Da alle Hotels seiner Wahl ausgebucht waren, musste man sich nach
der Ankunft am 7. Mai mit zwei gemieteten Zimmern in einer im ersten Bezirk
gelegenen Pension am Fleischmarkt Nr. 16 gegenüber der griechisch-orthodoxen
Kirche begnügen. Trotzdem betonte Schliemann in seinen Tagebucheintragun-
gen, wie gut es ihnen in Wien gefiel.
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Man besuchte noch am Tag der Ankunft
den Stephansdom und am darauffolgenden Vormittag das Museum für Kunst und
Industrie, die im Unteren Belvedere ausgestellten Sammlungen (u. a. auch die aus
Schloss Ambras während der Napoleonischen Kriege nach Wien verbrachten Ob-
jekte der dortigen Kunst- und Wunderkammer) sowie den Park zwischen Oberem
und Unterem Belvedere. Am Nachmittag machte sich Schliemann alleine, nur in
Begleitung eines Dieners, auf den Weg in den Prater, wo er nicht nur die Auland-
schaft bewunderte, sondern auch dem sog. Wurstelprater einen Besuch abstattete.
Von dort ging es mit der Pferdetramway weiter in den Volksgarten, den von Pe-
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Schliemann 1864/65, S. 52–54; Meyer 1969, S. 186; Mühlenbruch 2010, S. 18, 73.
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Zur Geschichte des Hotels „Österreichischer Hof“ s.
https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Rotenturmstra%C3%9Fe_18 (13. 11. 2015).
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Neue Freie Presse, 7. November 1864, Nr. 68 (Morgenblatt), S. 5; Neue Freie Presse, 8. November
1864, Nr. 69 (Morgenblatt), S. 5. In seinem Tagebuch erwähnte Schliemann für den 7. November:
„Sta sera andai all’Opera […] rappresentarono ….; […]“ – welche Oper er gesehen hatte, war ihm
zum Zeitpunkt des Eintrages entfallen. Im Gegensatz dazu erinnerte er sich noch an die Stücke, die
er am 8. und 9. November gesehen hatte: „La sera andai al teatro del Burgo, dove fu data la come-
dia ‚Le memorie del Diaviolo‘ ed altra piccola cosa […]“, bzw. „Andai sta sera di nuovo al teatro
dove rappresentarono il Campo di Wallenstein e Piccolomini in versi per Schiller.“ (Schliemann
1864/65, S. 52f.).
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Schliemann 1870/72, S. 109–114. Kurze Erwähnung findet dieser Aufenthalt in Meyer 1969, S.
255; Traill 1995, S. 311; Mühlenbruch 2010, S. 29.
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Vor dem Hintergrund, dass Sophia an psychosomatischen Problemen litt und Schliemann sich mit
seiner Schwägerin nicht verstand (Traill 1995, S. 80), kann man sich einen unbeschwerten Aufent-
halt nur schwer vorstellen.