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Kreta, die nur in Milet stärker vertreten ist als hier. Möglicherweise, so die Aus-
gräber, gab es hier eine minoische Bevölkerungsgruppe.
Besonders wichtig für die Troia-Frage ist natürlich die Späte Bronzezeit, das heißt
der Vergleich mit Troia VI und VII. Im Mäander-Tal sind 56 in der Späten Bron-
zezeit besiedelte Plätze entdeckt worden. Der an einem der südlichen Zuflüsse
des Mäanders in der Ebene gelegene Çine Tepecik kontrollierte wichtige Verbin-
dungswege, was sich im sowohl westanatolische als auch ägäische Einflüsse ver-
ratenden Fundmaterial äußert.
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Ständige landwirtschaftliche Aktivitäten auf dem
Hügel haben einige der
jüngeren
Kulturschichten empfindlich gestört oder gar
beseitigt; die
bronzezeitlichen
Schichten sind hingegen noch recht gut erhalten
(!). Im 2. Jt. wies der Hügel eine befestigte Siedlung auf. Die an der Westflanke
freigelegte, etwa 2,20 m dicke Verteidigungsmauer, bisher auf 41 m Länge ausge-
graben, ist in Abständen von etwa 20 m mit quadratischen Türmen bestückt, deren
Oberbau aus Lehmziegeln bestand. Sie umfasste anscheinend etwa 1,6 ha, mithin
nahezu so viel Areal wie die Troia VI-Burgmauer. An die Innenseite der Mauer
waren Gebäude angelehnt. Eine Brandzerstörung am Ende der Späten Bronzezeit
mag auf eine Eroberung hindeuten. In der spätbronzezeitlichen Schicht wurden
drei hethitische Stempelsiegel-Abdrücke gefunden mit Hieroglyphen-Zeichen, in
der Zerstörungsschicht sind 10 % der Keramik in mykenischem Stil gefertigt, dar-
unter feine Ware, die wahrscheinlich importiert worden ist. Sie zeigt Parallelen mit
der östlichen Ägäis sowie mit der Argolis und Attika. Fragmente großer mykeni-
scher Kratere wurden in einem Magazin-Gebäude entdeckt. Die Ausgräberin stellt
fest, dass mit den Befunden auf dem Çine Tepecik die geographische Grenze des
mykenischen Einflusses weiter nach Osten verschoben werden müsse.
Weiter östlich sind im Umland von Beycesultan 27 spätbronzezeitliche Siedlungs-
plätze vertreten, von denen Beycesultan erneut der einzige ausgegrabene ist.
18
Eine starke Befestigungsmauer auf dem Osthügel umgab dort eine Fläche von 1 ha
und unter anderem einen etwa 600 qm großen Wohnkomplex, der nach Meinung
der Ausgräber durchaus die Qualität einer Fürstenresidenz gehabt haben könnte.
Auch das übrige Areal der beiden Hügel war bebaut, der westliche Hügel mit
Wohnhäusern.
17
Zum Mäander-Tal s. Thompson (zit. in Anm.5). Zum Çine Tepecik s. S. Günel, KST 27,1, 2006,
19-28; 28,1,2007, 231-246; 29,1, 2008, 73-90; 30,1, 2009, 227-240; 31,1, 2010, 459-467; 32,1, 2011,
69-80. Dies., Mycenaean Cultural Impact on the Çine (Marsyas) Plain in Southwest Anatolia: the
Evidence from Çine-Tepecik, AS 60, 2010, 25-49.
18
Spätbronzeitliches Beycesultan und Umland: s. Abay/Dedeoğlu (zit. in Anm. 6). S. Lloyd,
Beycesultan III 1: Late Bronze Age Architecture, London 1972. J. Mellaart/A. Murray,
Beycesultan III 2: Late Bronze Age and Phrygian Pottery, and Middle and Late Bronze Age
Small Finds, Ankara 1995.