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übertroffen. Alles was er sah, war fast noch wirklicher als wirklich, richtiger als

richtig. Nur was den russischen Zaren angeht, waren die Briten gescheitert. Der

war in Wirklichkeit viel schöner und männlicher, als die Figur, die man in London

von ihm dargestellt hatte.

Mehr oder weniger das gleiche Gefühl hatte er auch, als er sich das große Panorama

von London ansah. Hier konnte man London besser sehen, als je in der Realität. Wo

die Stadt normalerweise immer im Nebel verborgen war, konnte man sie hier im

Panorama in der Sonne sehen. Man konnte hier den Tag in die Nacht verwandeln,

und so konnte man die Stadt sogar zweimal bewundern und genießen. Das war

wirkliche Kunst!

Gleich nachdem Schliemann in Frankreich angekommen war, erkannte er, dass die

ökonomische Entwicklung in diesem Land anders verlaufen war als in England.

Hier gab es keine großen Fabriken. Im 18. Jahrhundert war Frankreich wohlhaben-

der als England, aber die Napoleonischen Kriege hatten einen großen Teil dieses

Reichtums verbraucht. Frankreich erholte sich nun durch die Herstellung von Pro-

dukten hoher Qualität. Wo man in England sein Geld mit Baumwolle verdiente,

machte man das in Frankreich mit Seide. Als er in Paris ist, informierte Schliemann

sich denn auch, ob es Handelsmöglichkeiten mit diesem Produkt gab. Er erkannte,

dass die Mechanisierung der Landwirtschaft in Frankreich durch die geologische

Lage viel weniger möglich war als in England. Das Land war einfach zu hügelig,

was den Einsatz der damaligen Landmaschinen erschwerte. Es gab dadurch keinen

Überschuss an Landarbeitern und also auch kein Potential, um Arbeiter für die

neuen Fabriken zu finden.

Als Schliemann zusammen mit einem Geschäftsfreund in Le Havre ein Restaurant

besuchte, sah er sofort, dass die Maßstäbe in diesem Lande anders waren, als er

es gewohnt war. Die Menschen verhielten sich hier anders zueinander. Eine Frau

mischte sich ins Gespräch, ohne dass sie zuvor Schliemann vorgestellt worden war.

Später bemerkte er dasselbe in dem Zug, Frauen sprachen ihn an, nur um etwas zu

plaudern. Dies brachte Schliemann dazu, einen erweiterten Bericht über die leichte

Moral der Franzosen in sein Journal zu schreiben. Dieses Thema lag ihm am Her-

zen, denn während seiner Beschreibung von Paris und seiner Reise nach Antwer-

pen kommt er wieder darauf zurück. Es sind aber nicht die sich so frei bewegenden

Frauen, sondern die Männer, die er missbilligt. Die französischen Männer wären

keine richtigen Herren, sie tun ihren Frauen durch ihr unmoralisches Benehmen

sehr viel Leid an. Infolge dieser leichten Moral ginge auch ihre Arbeit zu Grunde.

Bevor Schliemann seine Beschreibung von Paris beginnt, erzählt er uns, dass er

immer sparsam ist, wenn er sich ein Hotelzimmer mietet. Emil Ludwig (1881-

1948) war im Jahre 1932 der Erste, der darüber berichtete, um deutlich zu machen,