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wurde.
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Dass scheint jedoch ganz unwahrscheinlich, weil in seinen Briefen aus
Athen im Juli 1873 Schliemann vielmals über den Fotografen spricht, der in
Athen die Sachen aus dem sog. Schatz des Priamos und all die Zeichnungen
von Lempessis fotografierte und vervielfältigte, aber niemals über Lempessis,
der mit neuen Zeichnungen beschäftigt gewesen wäre.
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Außerdem hatte er jetzt
einen Fotografen; warum sollte er noch einen Künstler anstellen?
Untersuchen wir jetzt die Bildunterschrift der Tafel 196, die 56 Ringe und andere
Sachen des Schatzes darstellt (Abb. 8). Solche zweisprachigen Unterschriften auf
Deutsch und Französisch sind in den Tafeln häufig. Anderswo aber ist die Infor-
mation in den beiden Sprachen immer identisch.
Nur hier
ist sie ungleich. Auf
Deutsch und Französisch lesen wir bis zum Doppelpunkt: „Diese Tafel enthält 56
goldene Ohrringe und anderen goldenen Schmuck.“ Nach dem Doppelpunkt steht
auf Deutsch „alles aus 8 und einem halben Metern Tiefe“, auf Französisch aber
„alles kommt vom Schatz des Priamos in 8 und einem halben Metern gefunden.“
Die Ausrichtung der deutschen Schrift ist sehr gut bis zum Doppelpunkt; danach
aber geht sie hinab. Mit der französischen Beschriftung ist das auch so, aber nicht
so merklich. Was bedeutet das?
Es ist klar, dass die Unterschrift in beiden Sprachen ursprünglich gleich und nur
bis zu dem Doppelpunkt (aber natürlich ohne Doppelpunkt!) geschrieben war. Erst
später hat Schliemann gewünscht, zu sagen, dass all dieser Schmuck vom „Schatz
des Priamos“ kam und in einer Tiefe von 8 und einem halben Metern gefunden
wurde. Unglücklicherweise gab es nicht genug Platz, alles auf Deutsch hinzu-
22
Easton 1994, S. 226.
23
Schliemann Archive, Gennadius Library, BBB 32, S. 370-475.
Abb. 8 – Bildunterschrift der Tafel 196.




