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Es gibt jedoch noch mehr! Als Schliemann auf den von seinem Ingenieur Laurent

erstellten Stadtplan blickte (Abb. 3), sah er, dass Laurent die Fundstelle an der

äußeren Seite der Stadtmauer zeigt. Er konnte natürlich Laurent nicht bitten, den

Stadtplan noch einmal anzufertigen, um die Fundstelle des Schatzes dort zu zei-

gen, wo Laurent wusste, dass er da nicht gefunden wurde. Aber Schliemann war

begierig danach, dass der Schatz dem Palast des Priamos Glanz gäbe. Also hat er

die Fundstelle noch einmal gewechselt. Jetzt sagt er, dass er den Schatz

auf

der

Stadtmauer

unmittelbar neben

dem Hause des Priamos gefunden habe.

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Das ist

ungenau und irreführend aber nicht ganz und gar falsch, wie in den früheren Be-

richten. Um die neue Fundstelle (auf der Stadtmauer) mit dem Palast von Priamos

zu verbinden, hat er jetzt diese alberne aber auch wunderbare Erzählung erfunden:

„Vermutlich hat jemand aus der Familie des Priamos den Schatz in aller Eile in die

Kiste gepackt, diese fortgetragen, ist aber auf der Mauer von Feindes Hand oder

vom Feuer erreicht worden und hat die Kiste im Stich lassen müssen.“

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Also hat Schliemann drei Aussagen über die Fundstelle gemacht, von denen zwei

falsch und die dritte irreführend sind. Bedenken wir jetzt die mündliche Aussage

von Nicholas Yannakis, dem Diener von Schliemann und seinem getreuesten Ar-

beiter. 1875 hat William Borlase, ein englischer Archäologe, der Troia besuchte,

Yannakis gefragt: „Welche Rolle hat Sophia bei der Entdeckung gespielt?”

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Er

antwortete: „Sie war nicht da! Sie war in Athen zu dieser Zeit.“ Außerdem hat

Yannakis gesagt, dass er selbst Schliemann geholfen habe, die Gegenstände aus-

zugraben und aus dem Graben hinauszubringen. Bezüglich der Gegenstände erin-

nerte sich Yannakis, dass es viele Bronzesachen gab; über die Übrigen äußerte er

sich jedoch nur verschwommen. Wie könnte er aber die goldenen Sachen, beson-

ders aber die sogenannte Sauciere, vergessen? Bezüglich der Fundstelle besteht

Yannakis darauf, dass der Schatz nicht auf der Mauer, sondern gerade außerhalb

der Mauer gefunden wurde, und dass er in einem kleinen mit Steinen ummauerten

und mit Plattsteinen gedeckten Platz gelegen hat. In allen Punkten seiner Aussage

scheint er genau gewesen zu sein und viel glaubwürdiger als Schliemann.

Betrachten wir jetzt den Schmuck des Schatzes. In seinem ersten Bericht (datiert

31. Mai) sagt Schliemann kein Wort über den Schmuck. In dem zweiten Bericht

gibt es in seiner detaillierten Darstellung der Gegenstände des Schatzes auch kein

Wort darüber. Nur nach einer Zusammenfassung der Ausgrabungen der folgenden

Woche wird der Schmuck zum ersten Mal erwähnt. Dann erfolgt eine detaillierte

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Schliemann 1874, S. 289 = Traill 1984, S. 101-102 = Traill 1993, S. 136.

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Schliemann 1874, S. 296 = Traill 1984, S. 101-102. Schliemann musste während des Schreibens

des zweiten Berichts gerade Laurents Plan gesehen und die Fundstelle zur Stadtmauer gewech-

selt haben, weil er diese Erzählung auch da gibt; siehe Traill 1993, S. 134.

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Borlase 1875, S. 235-6; siehe auch Traill 1984, S. 108-109 = Traill 1993, S. 143-4.