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Informationsblatt 32 Dezember 2020
Die Relevanz des von Nicolucci nach und nach gesammelten
Erbes wird im Kapitel Anthropologie des Wörterbuches der
Medizin deutlich, einer maßgeblichen Veröffentlichung in
mehreren Bänden von 1871, in der Nicoluccis Besitztümer ne-
ben Sammlungen von Universitäten, Akademien und Museen,
auch außerhalb von Italien, aufgeführt werden (Pigorini 1872,
Carbone 1971, Fedele 1999).
Im März 1877 befanden sich im Katalog der Sammlung prä-
historischer Objekte aus der Steinzeit von Giustiniano Ni-
colucci aus Isola del Liri 3044 italienische Lithografien und
etwa 400 Artefakte aus Griechenland, der Schweiz, Frank-
reich, Belgien, England, Irland und Dänemark, Nordamerika,
Asien und Ozeanien (Nicolucci 1877). Dazu kamen Tausende
menschliche Schädel und andere osteologische Materialien.
Obwohl Nicolucci lange vor den archäologischen Funden mit
dem Sammeln von Schädeln und anderen Skelettresten begon-
nen hatte, wird angenommen, dass antike Artefakte bereits
vor dem Studium zu einer Quelle der Freude für ihn geworden
waren.
Das Geschenk von Funden aus dem legendären Troja an Ni-
colucci im Dezember 1878 ist Teil dieses dichten Netzwerks
zwischen Sammlern und Wissenschaftlern, das die eifrigen
Beziehungen zu Heinrich Schliemann krönte.
Giustiniano Nicolucci und Heinrich Schliemann
Die meisten Informationen zu den wissenschaftlichen Beziehun-
gen zwischen Nicolucci und Schliemann stammen aus der Ana-
lyse einiger historischer Dokumente, wie beispielsweise Schlie-
manns 21 Briefe an Nicolucci aus der Sammlung der Familie
Bruni (Fondo Bruni) (Abb. 2), der wissenschaftlichen Veröffent-
lichung von Nicolucci „Waffen und Steinwerkzeuge der Troas“
(Abb. 3, siehe nächste Seite) und der handschriftlichen Kaufur-
kunde, aus der die spätere Übergabe seiner Sammlung an das Ka-
binett für Anthropologie der Königlichen Universität von Neapel
hervorgeht (Nicolucci 1879, Fedele 1985b und 1999; Abb. 4).
Aus diesen Quellen wird deutlich, dass die Zusammenarbeit zwi-
schen Schliemann und Nicolucci über zehn Jahre dauerte, vom
Sommer 1874 bis zum Frühjahr 1885, wenn auch mit einigen
Unterbrechungen. In diesen Jahren beschäftigte sich Schliemann
intensiv mit Ausgrabungen in Troja, Mykene und Tiryns, die ihn
berühmt machten. Für Nicolucci fiel das Jahrzehnt mit seinem
Erfolg als prähistorischer Gelehrter und vor allem als Professor
des ersten Lehrstuhls für Anthropologie an der Universität von
Neapel (1880) zusammen.
Wie sie zusammenkamen, ist nicht ganz klar. Aus Schliemanns
Brief vom 30. Juni 1874, der als Antwort auf einen Brief vom
Beiträge und Berichte
Abb. 2 – Einer der Ausstellungsräume des Museums für Anthropologie des Museumszentrums für Natur- und Physikwissenschaften (Komplex
des Maximum Jesuitenkollegs)