Seite 26 Informationsblatt 27 März 2016
Zu Beginn der gut besuchten Veranstaltung hielt der Muse-
umsleiter, Dr. Reinhard Witte, eine kurze Rede:
„Heute in genau zwei Wochen erinnert sich die an Archäo-
logie und überhaupt an Kultur interessierte Welt an den 125.
Todestag Heinrich Schliemanns. Der berühmte Kaufmann
und Forscher, wahrer Europäer und Kosmopolit, aber auch
das Sprachgenie und der ruhelose Globetrotter starb am 26.
Dezember 1890 in Neapel. Schliemann hat sehr viel ge-
schrieben und geredet und über ihn ist sehr viel geschrieben
und geredet worden. Deshalb sollen heute nur wenige Worte
gemacht werden und der Schwerpunkt auf das Programm
‚In 80 Minuten um die Welt‘ gelegt sein, das an die beiden
letztgenannten Aufzählungspunkte anknüpft – an Schlie-
manns Sprachleidenschaft und an seine Reisewut.
Doch erinnern wir uns kurz: Am 6. Januar 1822 wird Hein-
rich Schliemann als fünftes Kind des evangelischen Pfar-
rers Ernst Schliemann und seiner Frau Louise in Neubu-
kow geboren. Im Mai 1823 übersiedelt die Familie nach
Ankershagen. In diesem kleinen Dorf im Großherzogtum
Mecklenburg-Schwerin sollen nach Schliemanns eigenen
Worten ‚Hacke und Schaufel für die Ausgrabung Troias und
der Königsgräber von Mykene geschmiedet und geschärft
worden sein‘. Seit einem weihnachtlichen Buchgeschenk mit
der Abbildung des brennenden Troias will der knapp acht-
jährige Heinrich 1829 den Entschluss gefasst haben, später
den Schauplatz des zehnjährigen Krieges um die schöne
Helena auszugraben. Zwei Jahre danach stirbt seine Mutter
im Alter von 38 Jahren. Der Vater wird als Pastor wegen
unmoralischen Verhaltens vom Dienst suspendiert. Das hat
Folgen! Nach einem dreimonatigen Lernen am Neustrelit-
zer Gymnasium muss Schliemann wegen Geldmangels zur
Realschule wechseln. Eine akademische Laufbahn bleibt
ihm damit vorerst versperrt. Von 1836 bis 1841 absolviert
er eine Kaufmannslehre in einem kleinen Krämerladen
in Fürstenberg. Danach geht es weiter über Rostock nach
Hamburg, von wo aus Schliemann nach Übersee auswan-
dern möchte, um sein Glück zu suchen. Seine Reise nach
Venezuela endet in der Nacht vom 11. zum 12. Dezem-
ber 1841 durch Schiffbruch vor der holländischen Küste.
Der gerettete Schliemann bleibt als Kaufmannsgehilfe in
Amsterdam. Hier erlernt er in kurzer Zeit mehrere Fremd-
sprachen – insgesamt wird er 20 im Laufe der Zeit beherr-
schen! Im Jahre 1844 eignet er sich in ca. 6 Wochen auch
Russisch an und ist damit der Einzige in Amsterdam, der
mit russischen Kaufleuten sprechen und korrespondieren
kann. Sein weitsichtiger Handelsherr Schröder schickt dar-
aufhin den begabten jungen Mann als seinen Handelsagen-
ten nach Russland. In St. Petersburg bleibt er von 1846 bis
1864, wird 1847 russischer Staatsbürger und selbständiger
Großkaufmann. Er heiratet 1852 die Russin Jekaterina Ly-
shina, mit der er drei Kinder hat. Der Aufenthalt in Russ-
land wird durch zahlreiche Reisen unterbrochen. So se-
hen wir ihn z. B. zwischen 1851 und 1852 das erste Mal in
den USA, wo er durch Gründung einer Goldgräberbank in
Sacramento am kalifornischen Goldrausch teilnimmt.
Der nach dem Krimkrieg (1853-1856) geschäftsmüde Kauf-
mann Schliemann liquidiert 1864 seine Geschäfte in Russland
und begibt sich auf eine knapp zweijährige Weltreise. Sein er-
worbenes Millionenvermögen ist so groß, dass er später mit
einem Teil der Zinsen seine umfangreichen Ausgrabungen
bestreiten kann. Im Jahre 1866 lässt er sich ohne seine rus-
sische Familie in Paris nieder, kauft sich dort vier Mietshäu-
ser und besucht einige Lehrveranstaltungen an der Sorbonne.
1868 begibt sich der 46-jährige auf seine erste Reise auf den
Spuren Homers, die ihn auch an die Nordwestküste der Tür-
kei führt. Dort bekommt er von dem englischen Amateurar-
chäologen Frank Calvert den Tipp, das homerische Troia im
Hügel Hisarlık zu suchen. Bevor die Ausgrabungen beginnen,
muss noch einiges geregelt werden: 1869 ist ein Schicksals-
jahr im Leben Schliemanns! Im März wird er amerikanischer
Staatsbürger, weil er sich nur so von seiner ersten Ehefrau im
Juni in Indianapolis scheiden lassen kann. Zwei Monate zuvor
promoviert er in absentia mit seinem zweiten Buch „Ithaque,
le Péloponnèse, Troie“ an der Rostocker Universität. Und im
September heiratet der 47-jährige die 17-jährige Griechin So-
phia Engastromenos, mit der er zwei Kinder hat. Athen wird
sein ständiger Wohnsitz.
Im Jahre 1871 beginnen seine offiziellen Ausgrabungen im
Nordwesten der Türkei auf dem Hügel Hisarlık (Troia). Dort
gräbt er in mehreren Grabungskampagnen und mit größeren
Unterbrechungen bis 1890. Als er am 31. Mai 1873 den sog.
Schatz des Priamos in der archäologischen Schicht II findet,
ist er endgültig davon überzeugt, das homerische Troia ent-
deckt zu haben. Er irrt. Nicht Troia II, sondern nur Troia VI h
oder VII a können das homerische Troia sein. Das weiß man
aber erst nach Schliemanns Tod. Trotz seines Irrtums bleibt
Schliemanns Verdienst, an der richtigen Stelle gegraben und
eine bis dahin im Erdboden verborgene große bronzezeitliche
Siedlung freigelegt zu haben.
In Mykene entdeckt Schliemann im Jahre 1876 – er war auf
der Suche nach den Gräbern der homerischen Helden – den
Schachtgräberbezirk A, der um 1600 v. Chr. datiert werden
muss. Prachtvolle Grabbeigaben kommen zutage, die Schlie-
mann zum Entdecker der mykenischen Kultur (16. bis 12. Jh.
v. Chr.) machen, einer bis dahin noch nicht nachgewiesenen
Epoche der Weltgeschichte. Er schenkt damit, wie es in einem
Bonmot heißt, Griechenland 1000 Jahre seiner Geschichte.
1884 gehen Schliemann und Wilhelm Dörpfeld, der seit 1882
sein Mitarbeiter und später sein Nachfolger ist, nach Tiryns
und entdecken dort die Überreste des Palastes aus mykeni-
scher Zeit und zum ersten Mal auch Fragmente von Wand-
malereien.
Am 26. Dezember 1890 stirbt der ‚Father of Mycenaean Ar-
chaeology’ (Ventris/Chadwick) an den Folgen einer Gehirn-
hautinfektion in Neapel, einen Monat nach einer Ohrenope-
ration in Halle/Saale. Die Beisetzung findet in Athen statt
– zuerst in einem „normalen“ Grab, 1892 im neu errichteten
Schliemann-Mausoleum.
Bericht über Festveranstaltung am 12. Dezember
Bericht über die Veranstaltung am 12. Dezember 2015
anlässlich des 125. Todestages Heinrich Schliemanns