Seite 30 Informationsblatt 27 März 2016
Kassandra
entstand in der Zeit um 1989. Die schöne Pries-
terin, der keiner glaubt, obwohl sie doch in die Zukunft sehen
kann. Ein Krieger hat seinen Kopf an ihrem, er hört die Worte,
allein, er wird aber wohl nichts an seinem Entschluss ändern,
das Schicksal nimmt seinen Lauf. Ein Bezug zur Ilias, die
Priesterin Kassandra war eine Tochter des Priamos und teilte
nach dem Fall Trojas den Tod mit ihrem gewalttätigen Besit-
zer Agamemnon in Mykene. Kassandra sagt seit Urzeiten das
Gleiche: Krieg bedeutet Tod, und er wird auch Dich berühren,
wenn Du Dein Schwert nicht zur Pflugschar wandelst.
Die große Spannung der Exponate dieses Raums reicht vom
Liebespaar im Boot mit Faun,
sozusagen zum Ausruhen
von der Schwere der Gedanken der Kassandra, einer Hom-
mage an die Lebens- und Liebeslust in Leichtigkeit und trifft
in der großartigen Holzplastik
Ecce homo
auf den leidenden
Menschen, herausgearbeitet aus einer von der Natur in einer
Astgabel vorgegebenen Form. Für mich ist dies ein Hauptwerk
von Heinrich Zenichowski, zeitlos, nicht auf eine Konfession
reduzierbar. Es erinnert uns daran, was sich täglich stündlich,
auch jetzt gerade abspielt auf unserer Welt, während wir uns
vom Faun noch verzaubern lassen.
Aber noch ein Bild von Barbara Zenichowski im hinteren
Raum der Ausstellung nimmt in eigenartiger Gestalt diese
Gedanken wieder auf, der
Seiltänzer
, von ihr genannt ‚Über
der Düne‘. Ein leerer Stuhl im Vordergrund, beiläufig, Ort un-
seres Aufbruchs? Leerer Platz für einen erwarteten Besucher?
Und dann die kleine Gestalt auf dem Seil, der in eine Richtung
strebende Artist, dessen Zielpunkt wir nicht sehen können. Er
kann seinen Weg nicht korrigieren, er kann höchstens, sicher-
lich schwierig genug, umkehren. Dieses Voraussehen einer
Bestimmung auf die wir uns zu bewegen, die Unmöglichkeit
der Korrektur, nur das Alles oder Nichts, das alternativlose
‚Weiterso‘ oder die radikale Umkehr, erinnern an Existenzfra-
gen im Leben des Einzelnen und symbolhaft der Menschheit.
Barbara hat etwas getroffen, vielleicht ungewollt, was mich
sehr nachdenklich stimmt.
Mit diesen einführenden Worten möchte ich Sie entlassen in
diese wunderschöne Ausstellung. Machen Sie es wie die bei-
den Damen rechts und links am Bogen der Bilder von Barbara
Zenichowski und betrachten sie ästhetische Formen, Land-
schaften im Wandel, expressionistische Versuchsstücke, gro-
ße und kleine Formate, Ausflüge überraschender Art. Neben
dem Allgemeinen, das Kunst ausdrücken kann, begegnen Sie
auch dem Individuellen in einigen ausdrucksvollen Porträts
unseres Bildhauers und einer Hommage an Greifswald und
seinen Bodden sowie dem größten Sohn dieser Stadt, Caspar
David Friedrich, entstanden aus dem Wunsch eines Liebha-
bers seiner romantischen Kunst. Und da wäre noch
Einstein:
Energie = Masse x Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat – auch
eine Verwandlung, von der Ovid nichts ahnte, Kassandra si-
cherlich.
Viel Spaß und vielen Dank an unsere Künstler und das Muse-
um, das diese Ausstellung möglich machte.
Ihr Hellmut Rühle“
Sonderausstellungen
Blick in die Ausstellung
Statue von Caspar David Friedrich