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Informationsblatt 27 März 2016
Bericht über Konferenz
Im Unterschied zu historischen Professionalisierungstheorien,
welche vor allem Fragen der Genese und Institutionalisierung
von Professionen seit der Renaissance untersuchen, steht im
Zentrum einer soziologischen Theorie die Frage, wie sich be-
zogen auf das Individuum der Erwerb und die Einübung eines
professionalisierten Habitus vollzieht, wie also konkrete Perso-
nen beispielsweise zu Ärzten und Juristen – um die klassischen
Professionen zu nennen – oder eben zu Wissenschaftlern wer-
den. Habitus ist in diesem Zusammenhang, in Anlehnung an
die frühen Schriften Pierre Bourdieus, als eine generative For-
mel zu verstehen, die Urteile der Angemessenheit hervorbringt
und das Handeln strukturiert. Sie ist Bestandteil des sogenann-
ten „schweigenden“ oder „impliziten“ Wissens, das einer einfa-
chen Abfragbarkeit entzogen ist und daher aus Äußerungen und
Handlungen rekonstruiert werden muss. Der Habitus operiert
jenseits bewusster Kontrollierbarkeit, ohne dass er aber unbe-
wusst im Sinne des Verdrängten wäre.
Dr. Johanna Auinger (Wien-A):
Carl Humanns Teilnahme an der
Zweiten Hisarlık-Konferenz
In dem Beitrag wird der Kontakt
auf Grund der erhaltenen Korres-
pondenz zwischen Heinrich Schlie-
mann und Carl Humann, dessen
Bekanntheit auf der Entdeckung,
Rettung und Bergung des Perga-
mon-Altares beruht, beleuchtet. Es
stellte sich heraus, dass die z. T. gleichzeitig an der Westküste
Kleinasiens tätigen Ausgräber sich kaum begegneten und die
Korrespondenz, die von Herbst 1889 bis Herbst 1890 belegt
ist, dementsprechend gering erscheint. Nicht zu gering für den
Erfolg der letzten Troja-Unternehmung und der Zweiten Hisar-
lık-Konferenz Schliemanns sind die mannigfachen Hilfestel-
lungen Humanns in Bezug auf den Umgang mit den lokalen Be-
hörden und der allgemeinen Organisation vor Ort einzustufen.
Dr. Reinhard Witte (Ankersha-
gen-D): Adolf Michaelis und sei-
ne Rückschau auf die (kunst-)ar-
chäologischen Entdeckungen im
19. Jahrhundert
Über Adolf Michaelis ist nicht Vieles,
aber durchaus Einiges geschrieben
worden. Erinnert sei an dieser Stelle
nur an die „Gedenkschrift der wis-
senschaftlichen Gesellschaft Strass-
burg. Adolf Michaelis zum Gedächtnis“ aus dem Jahre 1913, an
die Artikel von Hartmut Döhl in der Neuen Deutschen Biogra-
phie und in dem von Reinhard Lullies und Wolfgang Schiering
herausgegebenen Band „Archäologenbildnisse“ sowie an die vor
zehn Jahren erschienene kleine Schrift von Erika Simon „Adolf
Michaelis. Leben und Werk“. Trotzdem ist es geboten, an dieser
Stelle über Adolf Michaelis und die beiden Auflagen seines Wer-
kes über die archäologischen, besonders kunstarchäologischen
Entdeckungen im 19. Jahrhundert zu berichten, denn kaum ein
anderer wäre so imstande wie er gewesen, die Thematik des Kol-
loquiums „Archäologie und Archäologen im 19. Jahrhundert“ zu
überblicken. Somit hat er es verdient, Gegenstand eines Beitrages
zu sein, wenn auch für manchen Leser damit das repetitio est
mater studiorum zu gelten hat.
Nach einem kurzen Überblick über Leben und Werk von Adolf
Michaelis werden prägnante Stellen beider Auflagen besprochen.
Von besonderem Interesse sind dessen Beurteilung der Ausgra-
bungen Heinrich Schliemanns und deren Einordnung in die ar-
chäologische „Eroberungswissenschaft“ im 19. Jahrhundert.
Komplex 5: Biographisches über andere Archäologen und
Altertumswissenschaftler
Wout Arentzen (Utrecht-NL): Pasch van Krienen. Das Grab
von Homer und die Nutzung von Quellen
Viele glauben, dass Schliemann, als er auf Hisarlık zu graben
begann, der erste war, der versucht hat, eine „homerische Fra-
ge“ mit dem Spaten zu lösen. Das stimmt aber nicht, dazu kam
er um fast hundert Jahre zu spät.
Nach Überlieferung der klassischen Tradition ist Homer auf
der Kykladeninsel Ios gestorben und begraben. Aufgrund die-
ser Überlieferung haben seit dem Mittelalter Reisende Homers
Grab auf dieser Insel gesucht. Im 18. Jahrhundert fingen Wis-
senschaftler an, über die Realität von Homer zu diskutieren.
Viele begannen zu zweifeln, ob er jemals existiert hat.
Zu Beginn der 1770er Jahre reiste der in Aldekerck, Herzogtum
Geldern, geborene Graf Heinrich Leonhard Pasch van Krienen
durch die westliche Türkei und Griechenland. Ob er tatsächlich
ein Graf war, ist unklar. Über sein Leben ist nur sehr wenig be-
kannt. Sicher ist aber, dass er im Jahre 1771 freiwillig und ohne
Sold der russischen Flotte beitrat, um dort bei der Rekrutierung
griechischer Seeleute behilflich zu sein. Zu diesem Zweck be-
suchte er viele der ägäischen Inseln. ImAugust 1771 verließ er die
russische Flotte mit einem positiven Zeugnis, um nach West-Eu-
ropa zurückzukehren. Zuvor bereiste er zum zweiten Mal die In-
sel Ios. Er suchte und fand seiner Meinung nach dort das Grab
von Homer, und er hoffte, mit dieser Entdeckung die Diskussion
über die Existenz des großen Dichters beenden zu können.
Das Gegenteil war der Fall. Über Pasch van Krienens Fund und
seine Beschreibung darüber wurde in den folgenden Jahrzehn-
ten heftig diskutiert.
Rainer Hilse (Ankershagen-D):
Pitt Rivers – einer der Väter der
britischen Archäologe
Pitt Rivers (1827-1900) entstammt
einer Familie englischer Landadli-
ger. Er diente in der britischen Ar-
mee von 1845 bis zu seiner offiziel-
len Entlassung 1882 im Range eines
Generalleutnants.