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Informationsblatt 27 März 2016
Zehn Jahre zuvor hatte Schliemann seinem wohl bekanntesten
Buch „Ilios. Stadt und Land der Trojaner“ eine Selbstbiogra-
phie vorangestellt, die er lieber wie Geheimrat Goethe ‚Dich-
tung und Wahrheit‘ hätte nennen sollen, und die bis heute für
Verwirrung sorgt. Schliemannforscher entdeckten in ihr im
Vergleich mit Schliemanns massenhaft überlieferten Briefen,
Reise- und Ausgrabungstagebüchern oder anderen Hinterlas-
senschaften viele Ungereimtheiten. Dadurch kippt das Schlie-
mann-Bild in der Forschung, in der Öffentlichkeit und beson-
ders in den Massenmedien manchmal zu sehr ins Negative. Er
wird als ‚zweiter Zerstörer Troias‘, als Fälscher, pathologischer
Lügner oder Baron Münchhausen betitelt. Damit wird man
diesem verdienstvollen Mann, dem wohl berühmtesten Meck-
lenburger und ‚Pionier der Spatenarchäologie‘ bzw. ‚Wegbe-
reiters einer neuen Wissenschaft‘, überhaupt nicht gerecht.
Heinrich Schliemann war ein Mensch mit vielen Fehlern und
Schwächen, der hin und wieder auch gelogen hat. Er mach-
te vor allem Fehler bei seiner ersten Troia-Grabung. Dabei ist
aber zu bedenken, dass die Spatenarchäologie damals noch in
den Kinderschuhen steckte. Grabungsmethoden wurden an
Universitäten bis dahin kaum gelehrt. Er hatte einen fatalen
Hang zur Selbstinszenierung. Aber wir müssen bei ihm immer
auf die Relationen achten! Seine Verdienste für die Altertums-
wissenschaft überwiegen alle Fehler und Schwächen.
Sein Erkenntniszuwachs während seiner Ausgrabungen in
Troia, Mykene, Tiryns und Orchomenos zwischen 1871 und
1890 ist enorm. Er gab der archäologischen Forschung Ende
des 19. Jahrhunderts einen neuen Schwung.
Heinrich Schliemann ist – und da wiederhole ich mich zum
wiederholten Male – wenn nicht Begründer, so doch zumin-
dest Mitbegründer der historischen Archäologie, dem Teil der
Spatenforschung, der über die Kunstarchäologie Winckel-
mannscher Prägung hinaus zur historischen Fragestellung
kommt. Schliemann gelang es, mit seinen Ausgrabungen auf
dem Hügel Hisarlık, geschichtliche Wurzeln der homerischen
Epen freizulegen.
Er wurde damit und durch seine späteren Ausgrabungen in
Mykene, Orchomenos und Tiryns zum Entdecker von vorklas-
sischen und z. T. vorgriechischen Kulturen auf dem griechi-
schen Festland und an der kleinasiatischen Küste. Sein Sys-
tem der Tiefengrabung bis auf den gewachsenen, natürlichen
Boden wird seitdem – freilich immer vollkommener – in der
archäologischen Forschung angewandt. Auch die Keramik als
Leitfossil für eine relative und absolute Chronologie, so mit
zuerst von Schliemann, wenn auch nicht fehlerfrei, benutzt,
hat trotz moderner naturwissenschaftlicher Datierungsmetho-
den nicht an Bedeutung verloren. Letztlich schlug er in enger
Zusammenarbeit mit Rudolf Virchow durch eine detaillierte
topographische Erkundung der troianischen Ebene eine Brü-
cke zwischen Geistes- und Naturwissenschaften.
Schliemann war ein ruheloser, nicht das Leben genießen-
der Mann. Er war Kaufmann und Forscher, Autodidakt und
Fachmann, zu bestimmten Zeiten Baron Münchhausen und
ehrlicher Freund. Er hat es verdient, dass seit 1980 in seinem
Elternhaus in Ankershagen ein Museum eingerichtet ist, das
zum Zentrum der internationalen Schliemannforschung auf-
stieg und im Blaubuch der Bundesregierung verzeichnet ist.
Er hat es verdient, dass seit 1991 eine internationale Hein-
rich-Schliemann-Gesellschaft Ankershagen e. V. existiert,
und dass der Ort seiner Kindheit seit ein paar Jahren den Zu-
satz „Schliemanngemeinde“ im Namen trägt.
Erinnern wir uns also heute mit Wohlgefallen an den 125. To-
destag des weltbekannten mecklenburgischen Pastorensohns.“
Diese Veranstaltung zu einem Jubiläum sollte keine „gewöhn-
liche“ Fest- bzw. Gedenkveranstaltung sein. Deshalb hatten
sich das Museum und der Vorstand der HSG etwas Besonderes
ausgedacht. Bei einer Vernissage war der Museumsleiter mit
der Berliner Performance-Künstlerin Annika Krump bekannt
geworden. In einem Gespräch erfuhr er, dass die Sängerin und
Akkordeonspielerin auch ein Programm im Repertoire hat, in
dem sie durch die Welt „reist“ und Lieder in rund 15 Sprachen
singt. Was passte besser für unsere Veranstaltung als „In 80
Minuten um die Welt“?
Annika Krump brachte dann zur „Verstärkung“ den Percus-
sionisten Rudi Marhold (Mitglied der Götz-Alsmann-Band)
mit, der teilweise auf recht ungewöhnlichen Instrumenten
sein Können zeigte, wie auch die Künstlerin selbst. Somit
hatte wieder einmal ein unvergessliches Erlebnis im Hein-
rich-Schliemann-Museum stattgefunden. Zuhörerinnen und
Zuhörer waren begeistert.
Die Künstlerin äußerte sich so darüber: „Das Konzert war toll.
Wir hatten ein sehr waches, aufmerksames Publikum. Es hat
uns sehr gut gefallen.“
Bericht über Festveranstaltung am 12. Dezember
Dr. Witte hatte nach der gelungenen Ver-
anstaltung gut lachen
Rudi Marhold
Annika Krump