Seite 16 Informationsblatt 27 März 2016
Bericht über Konferenz
der ehemaligen Kunsthandlung, die möglicherweise konkrete
Hinweise auf dieses Bild ergeben hätten, blieb ergebnislos.
Die Frage lautet: Kann in dem Porträtierten Heinrich Schlie-
mann wiedererkannt werden?
Komplex 1: Archäologie und Archäologen im Mittelmeerraum
Dr. Bernhard F. Steinmann (Ub-
stadt-Weiher-D): Den Karern auf
der Spur? Die Entdeckung der
frühkykladischen Kultur im 19. Jh.
Zusammenfassend lassen sich für
das 19. Jahrhundert grob drei Pha-
sen der Entdeckung der kykladi-
schen Kultur herausarbeiten, wobei
es natürlich Überschneidungen gibt:
In einer ersten Phase bringen Diplomaten und Reisende die
kuriosen Marmorfiguren von den griechischen Inseln mit oder
beschreiben sie in ihren Reiseerinnerungen.
In einer zweiten bereisen etwa ab den 1830er Jahren Gelehrte
die Inseln intensiver und setzen sich sowohl mit den Kontexten
als auch mit der Deutung kykladischer Artefakte auseinander.
Besonders Ludwig Ross ist hier als wichtiger Wegbereiter her-
auszustellen, der durch seine Beobachtungen von Kontexten
und damit einhergehend seinen viel beachteten Publikatio-
nen kykladische Artefakte aus ihrer Rolle als undefinierbare
Kuriosa herauszuheben versucht. Es finden nun auch die ers-
ten Idole in nennenswerter Anzahl ihren Weg in europäische
Sammlungen, so dass durch Ausstellung und Publikation die
Idole bekannter werden und damit öfter in Überblickswerken
Berücksichtigung finden.
Die dritte und letzte Phase beginnt, nachdem die Entdeckungen
Heinrich Schliemanns ihre Wirkung entfalten konnten, in den
1880er Jahren mit Köhler, Bent und Dümmler und wird durch
die intensive archäologische Grabungstätigkeit vor allem durch
Christos Tsountas noch einmal wesentlich verstärkt. Sein Ver-
dienst ist es, durch das erheblich vermehrte Material und die ei-
genen Beobachtungen nun definitiv eine kykladische Kultur zu
erkennen. Diese Erkenntnisse zusammen mit den stratigraphi-
schen Beobachtungen in Phylakopi ermöglichen endlich eine
schlüssige chronologische Einordnung der Kykladenkultur in
Relation zu anderen prähistorischen ägäischen Kulturen.
Dr. Eberhard Zangger (Zü-
rich-CH): Die Luwier – Binde-
glied zwischen Hethitern und
Mykenern
In seinem Beitrag stellt der Autor
vier Hypothesen auf:
1. Es gab im Westen der heutigen
Türkei im 2. Jt. v. Chr. eine Reihe
kleiner und mittelgroßer Königrei-
che, die zusammengenommen in ihrer wirtschaftlichen und
politischen Macht der minoischen und der mykenischen Kultur
ebenbürtig waren.
2. Diesen Kulturkreis bezeichnen wir als luwische Kultur, sei-
ne Bewohner als Luwier. Luwien blieb als potenzieller Macht-
faktor bisher weitgehend unbeachtet, womit ein wesentliches
Erklärungsmoment zum Ende der Spätbronzezeit fehlt. Ge-
meinsam bildeten die luwischen Kleinstaaten eine Macht von
überregionaler Bedeutung. Sie waren damit ein wichtiger Fak-
tor am Ende der Bronzezeit – ein Faktor, der bisher übersehen
wurde.
3. Auch Troja gehörte zum luwischen Kulturkreis und war
zwischen 1800 und 1200 v. Chr. ein überregional bedeutendes
Königreich. Die Stadt galt unter den Mittelmeeranrainern als
die prächtigste und bedeutendste Metropole der Vorantike. Die
Fundstelle Hisarlık, die heute landläufig als Troja bezeichnet
wird, ist lediglich ein kleiner Teil davon.
4. Die von ägyptischen Tempelinschriften bekannten soge-
nannten Seevölker-Invasionen um 1200 v. Chr. und der Tro-
janische Krieg gehören der gleichen Ereigniskette an. Bei den
Seevölkern handelt es sich um ein militärisches Bündnis lu-
wischer Kleinstaaten. Sie erzielten in kurzer Zeit erhebliche
Erfolge und wurden anschließend in ihren Heimatstädten von
einem vergleichbaren Bündnis mykenischer Kleinstaaten an-
gegriffen und besiegt.
Komplex 2: Archäologie und Archäologen in Europa (außer-
halb des Mittelmeerraums)
Prof. Dr. Armin Jähne (Ber-
nau-D): Archäologie in Russland
zu Schliemanns Zeiten
Über Heinrich Schliemanns ge-
schäftliche Erfolge in Russland
wissen wir recht gut Bescheid. Wir
sind auch ausreichend über das Le-
ben seiner russischen Familie infor-
miert, wenngleich Lücken bleiben,
so über die schwierigen Beziehun-
gen zwischen ihm und Jekaterina
Lyshina, seiner Frau, über sein durchaus positives Verhältnis
zu Russland, was Kritik an ihm nicht ausschloss, und sein rus-
sisch-staatsbürgerliches Bewusstsein. Es gibt keinen Zweifel
an seinen Latein-, Griechisch- und Altgriechisch-Studien und
an seiner, von Jekaterina oft und gern bespöttelten, Homero-
philie.
Nicht ganz klar ist, was der Zweck der Schliemannschen Ho-
merbegeisterung war. Sie bereits als eine Fixierung auf die
künftigen Grabungen auf dem Hisarlık zu werten, erscheint
mir sehr gewagt und wird wohl auch niemand mehr behaupten.
Der Autor untersucht in seinem Beitrag auch Schliemanns
wissenschaftliche und archäologische Interessen und Kennt-
nisse in dessen Petersburger Zeit.