Seite 20 Informationsblatt 27 März 2016
Bericht über Konferenz
Dieser Briefwechsel setzt im Frühjahr des Jahres 1873 ein –
Conze war damals Professor der Klassischen Archäologie an
der Universität Wien, Schliemann im dritten Jahr seiner Tro-
ja-Grabung. Nachweisbar ist er bis Dezember 1890, kurz vor
Schliemanns Tod. Zwischen 1875 bis in das späte Jahr 1883 be-
steht eine Lücke.
Der persönliche Kontakt scheint mit der Zusendung eines
Gipsabgusses der sog. Heliosmetope aus Schliemanns Grabung
an Conze eingesetzt zu haben, wobei Schliemann deren Prä-
sentation auf der Weltausstellung von 1873 in Wien gewünscht
hatte, wie aus dem Brief Conzes an ihn vom 24. März 1873 aus
Wien hervorgeht.
Schliemanns Grabungen und Troja sind eines der Hauptthemen
der Briefe. Hier kommen auch Divergenzen in den Auffassun-
gen zu Troja zur Sprache. Auch wenn im heutigen Bestand
offensichtlich Briefe fehlen, auf die in den Schreiben Bezug
genommen wird, so könnte die Lücke von 1875 bis 1883 tat-
sächlich eine langjährige Unterbrechung des Briefverkehrs
zwischen Conze und Schliemann anzeigen, denn sie besteht im
Briefverlauf beider gleichermaßen. Wir dürfen daraus freilich
nicht auf eine völlige Unterbrechung des Kontaktes der beiden
Männer zueinander schließen.
Ass. Prof. Mag. Dr. Hubert Sze-
methy (Wien-A): Otto Benndorf,
der „Schliemann von Ephesos“,
und seine Beziehung zu Heinrich
Schliemann
Die Bezeichnung Otto Benndorfs
(1838–1907) als „Schliemann von
Ephesos“ geht auf einen kurzen
Nachruf auf den wahrscheinlich
berühmtesten Vertreter der österrei-
chischen Archäologie des 19. Jahrhunderts zurück. Vergleiche
zwischen den beiden sind jedoch schwer zu ziehen.
Der Beitrag konzentriert sich auf die fachliche Auseinanderset-
zung Benndorfs mit dem Werk Schliemanns, das mit dessen er-
sten Veröffentlichungen in der Augsburger Allgemeinen Zeitung
über die trojanischen Entdeckungen fassbar wird. Schliemanns
Ausgrabungen in Mykene, die Benndorf im Februar 1877 in der
in Prag erscheinenden Zeitung „Bohemia“ besprach, und ins-
besondere der spektakuläre Fund der Masken gaben Benndorf
Anlass, ein vor Jahren ins Auge gefasstes Publikationsvorhaben
wieder in Angriff zu nehmen. Aufgrund eines umfangreichen
Konvolutes von Korrespondenzen, das sich in einem Privatar-
chiv fand und Aufschluss über Benndorfs wissenschaftliches
Netzwerk gibt, kann der Entstehungsprozess dieses Werkes
nachgezeichnet werden. Benndorfs „Antike Gesichtshelme und
Sepulcralmasken“ (Wien 1878) gibt Aufschluss darüber, wie
unmittelbar Schliemanns Tätigkeiten den Fortgang der archäo-
logischen Forschung an den Universitäten beeinflussten.
Das Interesse Benndorfs an Schliemanns Aktivitäten ist ferner
durch Vorträge, Buchbesprechungen und einen Schliemanns
Leistungen würdigenden Nachruf nachweisbar.
Dr. Margit Z Krpata (Wien-A):
„Cypern wäre ein Feld für Sie!“
– Die Beziehung zwischen Max
Ohnefalsch-Richter und Heinrich
Schliemann
„Cypern wäre ein Feld für Sie!“,
schrieb der deutsche Ausgräber
Max Ohnefalsch-Richter gegen
Ende eines langen Briefes im Jahr
1883 aus Zypern an Schliemann.
Der damit beginnende Schriftverkehr der beiden Landsleute
setzte sich, freilich mit Unterbrechungen, bis zum Tod Schlie-
manns fort. Von den etwas mehr als 20 ausgetauschten Briefen
haben sich 15 in der Gennadius Library in Athen erhalten. Per-
sönlich begegneten sich die beiden der Antike im Mittelmeer-
gebiet Verbundenen ein oder zwei Mal.
Ohnefalsch-Richter, seit 1878 in Zypern ansässig, war um Ko-
operation – in der einen oder anderen Form – mit Schliemann
bemüht. Gerne hätte er für oder mit ihm in Zypern oder der
Troas gegraben, doch weder hat Schliemann jemals Zypern be-
sucht und derlei Pläne gehegt, noch war Ohnefalsch-Richter auf
einer seiner Grabungen. Schliemann reflektierte auf die Mit-
arbeit von Abraami Charalambou, den hervorragenden Aus-
gräber seines Landsmannes, und bat diesen um Vermittlung.
Charalambou aber stieß nicht zur Grabung in Troja.
Ohnefalsch-Richter erhielt die von Schliemann erbetenen Bei-
träge für die von ihm herausgegebene Zeitschrift nicht. Eben-
sowenig hatte Schliemann Ohnefalsch-Richters Thesen in
seinen Publikationen berücksichtigt. Posthum jedoch erlangte
Ohnefalsch-Richter, genauer gesagt einige seiner Funde, jene
Nähe, um die er sich zeitlebens vergeblich bemühte: Sie sind
heute im Schliemannsaal des Museums für Vor- und Frühge-
schichte in Berlin gemeinsam mit den Nachbildungen aus dem
„Schatz des Priamos“ ausgestellt.
PD Dr. Matthias Jung (Frank-
furt am Main-D): Die Kontro-
verse von Heinrich Schliemann
und Ernst Boetticher aus soziolo-
gisch-professionalisierungstheo-
retischer Sicht
Den Hintergrund zur Beschäfti-
gung des Autors mit dem Streit
zwischen Heinrich Schliemann und
Ernst Boetticher über die Deutung
des Ruinenhügels von Hisarlık, in welchem Boetticher be-
kanntlich Reste einer „Feuernekropole“ zu erkennen glaubte,
bildete eine im Kontext eines Projektes zur Professionalisie-
rung von Wissenschaftlern entstandene Studie zu zeitgenössi-
schen Amateurarchäologen. In diesem Kontext sollten auch ei-
nige exemplarische historische Analysen durchgeführt werden,
insbesondere bezogen auf das 19. Jahrhundert, in welchem die
Professionalisierung von Prähistorikern noch eng mit der Insti-
tutionalisierung des Faches amalgamiert war.