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Informationsblatt 27 März 2016
Bericht über Konferenz
Komplex 3: Biographisches über Heinrich Schliemann
Dr. Wilfried Bölke (Ankersha-
gen-D): Erkenntnisse und Be-
trachtungen nach der Auswer-
tung des Briefwechsels Heinrich
Schliemanns mit seiner meck-
lenburgischen Familie
Der Autor begann im Jahre 2007
mit der systematischen Auswer-
tung des Briefwechsels zwischen
Heinrich Schliemann, dem Vater,
seinen Geschwistern, Verwand-
ten, Freunden und Bekannten. Es sind Briefe, die heute
überwiegend in der Gennadius-Library in Athen auf be-
wahrt werden. Dabei handelt es sich um etwa 2500 Briefe,
von denen bisher nur eine geringe Anzahl veröffentlicht
worden ist. Über das Verhältnis Heinrich Schliemanns und
seiner Geschwister zum Vater war bisher nur wenig be-
kannt. Deren Kindheit wurde schon früh von bedrückenden
Erlebnissen überschattet, sie wuchsen in einer zerrütteten
Familiensituation auf. In den Briefen wird deutlich, welch
ein erheblich gestörtes Verhältnis zwischen den Kindern
und ihrem Vater bestanden hat. Den Geschwistern gegen-
über erwies sich Schliemann zeitlebens als treusorgender,
wenn auch autoritär auftretender Bruder. Heinrich über-
nahm früh die Rolle eines „amtierenden Familienoberhaup-
tes“. Wir erfahren erstmals etwas über die Lebenswege des
Vaters und der Geschwister, über das tragische Schicksal
und den frühen Tod von Schliemanns Brüdern. Wir lernen
den privaten Schliemann besser kennen als bisher, erfahren
überraschende Details aus seinem Leben, über seine Ehe-
probleme, seinen religiösen Glauben, auch, dass er ein Frei-
maurer war. Schliemann hat seine Familienangehörigen in
seinen Briefen an seinem ungewöhnlichen und erfolgrei-
chen Lebensweg als Kaufmann und Ausgräber teilhaben
lassen. Vor uns entsteht das faszinierende Bild eines von
einer Idee besessenen Menschen, der sich zur Lebensauf-
gabe gemacht hatte, etwas Ungewöhnliches und Bleibendes
zu vollbringen und das trotz widriger Umstände.
Christo Thanos (Leiden-NL):
Schliemann’s travel to Italy,
Egypt and the Near East in the
cold winter of 1858
Über Schliemanns archäologische
Arbeit und über sein Privatleben
ist eine Menge veröffentlicht wor-
den. Über seine unermüdliche
Reisetätigkeit ist demgegenüber
noch zu wenig bekannt, obwohl
diese sich in seinen Reisetagebüchern niederschlägt, die sich
im Original in der Gennadius Library in Athen und in Kopie
im Heinrich-Schliemann-Museum Ankershagen befinden.
Der Autor gibt in diesem Beitrag erste Resultate seiner Erfor-
schung des dritten Tagebuchs (Reise nach Italien, Ägypten
und den Nahen Osten) bekannt. In diesem finden wir nicht
nur Schliemanns Beschreibungen über das, was er während
der Reise sah und erlebte, sondern es ist uns auch möglich,
Einblicke in die Persönlichkeit des Mannes zu erhalten.
Auch zeigen sich hier Schliemanns enorme Fremdsprachen-
kenntnisse. Auf den 260 Seiten schreibt er auf Italienisch,
Griechisch, Arabisch, Französisch, Englisch und Schwe-
disch.
Das Tagebuch soll wieder vom Autor und in Zusammenarbeit
mit Wout Arentzen veröffentlicht werden, wie zuvor schon
die ersten beiden Tagebücher über die Europareise (1847-
1848) und Schliemanns erste Amerikareise (1850-1852).
Dr. Maria Castro (Havanna-
Kuba): Heinrich Schliemann:
A new Discoverer of Cuba
Heinrich Schliemann besuchte
Kuba vier Mal: Zweimal im Jahre
1865 und später 1867 und 1886.
Anfangs waren es vor allem ge-
schäftliche Interessen (Investitio-
nen in der Eisenbahn), die ihn auf
die größte Insel der Karibik führ-
ten. Doch der Kontakt zum koloni-
alen Kuba und seinen Bewohnern machte auch einen tiefen
Eindruck auf ihn, den er in außerordentlichen Beschreibun-
gen über Havanna und andere wichtige kubanische Orte
schriftlich fixierte.
Seine Ansichten, Ideen, Kommentare, Gedanken, Ratschlä-
ge und Emotionen sind in bewunderungswürdiger Weise auf
180 Seiten in verschiedenen Reisetagebüchern festgehalten
(im Archiv der Gennadius Library: Schliemann papers A8,
A9, A11 und A16). Geschrieben sind sie in einem sehr eigen-
artigen aber verständlichen Spanisch und bisher noch nicht
publiziert.
Die Autorin liefert einzelne Begebenheiten der vier Reisen
und bezeichnet Schliemann zum Schluss als dritten „Entde-
cker“ Kubas – nach Christoph Kolumbus und Alexander von
Humboldt.
Dr. Michaela Zavadil (Wien-A):
Eine facettenreiche Beziehung:
Heinrich Schliemann und Wien
Mit Wien war Heinrich Schlie-
mann in mancherlei Hinsicht ver-
bunden: Vorwiegend hatte er Be-
ziehungen auf wissenschaftlicher
und geschäftlicher Ebene, darüber
hinaus bekam er Zuschriften von
Journalisten und Bewunderern,
und nicht zuletzt hielten sich Schliemann und seine Familie
ab und zu auch in Wien auf.