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Informationsblatt 25 Dezember 2013
Beiträge und Berichte
der Tag, so beginnen zwischen dem unglücklichen Ehepaar die
gemeinsten Beschimpfungen, die selbst der entartetste Pöbel
sich auszusprechen schämt, gegenseitige Verfluchungen und
Verdammungen bis in den Abgrund des Tartarus, dauernd
vom frühen Morgen bis zum späten Abend; einen Augenblick
küssen sie sich und im andern halten sie sich des einander
Anspuckens nicht wert. Ihr habt ja gar keinen Begriff von
den schauderhaften Szenen, die da mitunter vorfallen.“ Und
er berichtet auch von seinem Zusammentreffen mit Sophie
Schwarz in Hamburg und ihrer erschütternden „Beichte“: Ja,
sie weiß, sie hat die Familie zerstört, aber sie konnte sich den
Verlockungen von Pastor Schliemann nicht erwehren, der ihr
kostbare Geschenke und sogar die Ehe versprach. „Ich war
ein armes Dorfmädchen, war von einem Knechte entehrt und
geschändet, war über die Heirathsjahre längst hinaus, und
hatte daher nie Hoffnung einen Mann zu bekommen. Ich war
durchaus ein ungebildetes Mädchen und konnte, da ich weder
lesen noch schreiben konnte, nie etwas Anderes werden als
gemeine Magd. Mit trüben Blicken sah ich in die Zukunft,
da eröffnete mir ein so geehrter und in allgemeiner Achtung
stehender Mann, dem Tausende andächtig zuhören, indem er
das Wort des Höchsten verkündet, da eröffnet mir ein Prediger
seine Liebe. Er schwur mir bei allen Heiligen mich zu heirathen,
er beschenkte mich aufs Glänzendste, er liess mich in Allem
unterrichten, die brilliantesten Aussichten für die Zukunft
präsentierten sich mir ...“
DerartigeEnthüllungenundErlebnisse
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müssenauf Schliemann
zeit seines Lebens einen unauslöschlichen Eindruck gemacht
haben. Sein Verhältnis zum Christentum und deren Verkünder
war, vorsichtig ausgedrückt: getrübt.
2. Zwei kirchliche Hochzeiten und eine Scheidung einer
russisch-orthodox geschlossenen Ehe
Der getaufte Protestant schloss am 12./24. Oktober 1852 im
russisch-orthodoxen Ritus die Ehe mit Jekaterina Lyshina
(1826-1896), von der er sich dann am 30. Juni 1869 in
Indianapolis scheiden ließ. Mit dieser Scheidung verletzte er
ein heiliges Sakrament: „Was Gott zusammengefügt hat, soll
der Mensch nicht scheiden.“ Die russische Seite hat diese
Scheidung nicht anerkannt. Nach dem Tode Schliemanns
sprach Jekaterina immer noch von „meinem Mann“.
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An Halbbruder Wilhelm, genannt Ernst, schrieb er am 14.
April 1869 aus Indianapolis: „Unsere Ansichten, den Ehestand
betreffend, stimmen entschieden nicht überein, denn ich bin
der Ansicht, daß die Ehe eine der edelsten und heiligsten
Einrichtungen ist, wenn ihre einzige Bande Liebe und
Tugend sind, aber daß sie die entwürdigendste und schwerste
der Fesseln ist, wenn sie aus eigensüchtigsten Gründen
eingegangen wird. Du denkst anders über die Sache. … Kaum
hatte ich die Ufer Frankreichs verlassen, als mir der Gedanke
4 Im Jahre 1831 weigerten sich die Dorfbewohner, von Pastor Schliemann
eine Predigt zu hören. Sie zogen vor das Pfarrhaus und machten mit Töp-
fen und Kesseln einen abscheulichen Lärm.
5 Brief Jekaterinas an Halbbruder Ernst vom 8. 12. 1891 aus Paris.
kam, daß in diesem großen Land
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und unter diesen praktischen
Leuten eine Ehescheidung unmöglich mehr als ein paar Monate
erfordern könne. Und wirklich fand ich es hier so, weil die
Ehe hier lediglich als bürgerlicher Vertrag betrachtet wird, der
aufhören muß zu bestehen, sobald er durch einen der in Frage
kommenden Teile verletzt wird.“
Und in einemBrief an Schwester Doris vom 6.August 1869 (auf
dem Dampfer St. Laurent imAtlantischen Ozean) heißt es u. a.:
„Ich bin heute vorm Monat auf eine so durchdringende Weise
durch eine, nach den Gesetzen von Indiana, unwiderrufliche
u bis in den 7ten Himmel gültige Ehescheidung von meiner
Ehehälfte geschieden worden, daß nicht mehr Verbindung
zwischen uns stattfindet als zwischen zwei verschiedenartigen
Kohlköpfen; es ist entschieden daß ich nichts an die Frau
geben, wohl aber die Kinder versorgen muß. Ich gebe aber auch
fernerhin immer die frühere Summe zum Unterhalt der Familie.
… Ich beabsichtige nun um 14 Tagen nach Griechenland zu
reisen um mich dort nach einer anderen Frau umzusehen, denn
dort habe ich den ungeheuren Vortheil daß die Mädchen arm
wie Ratzen sind, jeden Fremden als unermeßlich reich ansehen
u daher Jagd auf ihn machen gerade wie ich vor 10 Jahren in
Egypten den Enten nachjagte … Gott sei Dank die Auswahl in
Griechenland ist groß u die Mädchen schön wie die Pyramiden
von Egypten.“
Die Auserwählte war Sophia Engastromenos (1852-1932), die
Schliemann am 24. September 1869 im griechisch-orthodoxen
Ritus heiratete.
3. Vater von fünf Kindern – Taufe und Erziehung
Hierzu konnte ich erst wenig sagen. An Vetter Julius, der nach
Amerika ausgewandert war, schrieb Schliemann aus Kissingen
am 20. Juli 1879: „Was Du über den jetzigen Unglauben
schreibst ist leider nur zu wahr. Die griechische Kirche ist,
wie Du richtig vermuthest, in vielen Stücken der katholischen
gleich. Bei der griechischen Taufe wird der Täufling dreimal
untergetaucht und so geschah es mit meinen Kindern erster und
zweiter Ehe, da meine erste Frau Russin, die zweite Griechin
ist. Ich bin der Religion unserer Väter treu geblieben, verdenke
es Dir aber durchaus nicht zur Baptistenkirche übergegangen
zu sein, da es Deine Ueberzeugung war dass diese besser ist
…“
Bekannt ist auch der Skandal, den Schliemann verursachte, als
er bei der Taufe seines Sohnes Agamemnon die Temperatur des
geweihten Wassers mit einem Thermometer maß.
4. Tod und Begräbnis
Auch dazu hier nur wenig. Ich berichtete auf Schliemanns
Reaktionen auf Tod von Verwandten, Grabkreuze für seine
Mutter und für seine Kalkhorster Cousine Sophia, über seine
zahlreichen Besuche von Friedhöfen und Katakomben, über
6 Schliemann war auf dem Weg in die Vereinigten Staaten, wo er Ende März
1869 auch amerikanischer Staatsbürger wurde.