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Informationsblatt 25 Dezember 2013
verursachte mir indess durchaus keine Beschwerden und in der
Tat habe ich mich auf meinen Reisen nie besser befunden, als
wenn ich mich mit Brod und Wasser begnügen musste.“
Auf den Seiten 42 f. steht das Heiterkeit hervorrufende Zitat:
„Wie im übrigen Griechenland, wird auch hier die Geistlichkeit
nicht besoldet, und muss von den schwachen Einkünften der
Taufen, Begräbnisse, Heirathen u. s. w. ihr Leben fristen.
In Folge dessen ist das Leben des griechischen Priesters ein
fortwährender Kampf mit dem Mangel, und da die Laufbahn
des Geistlichen keine Versorgung bietet, so wollen die jungen
Leute nicht gern Theologie studiren. Deshalb wird man in
diesem Lande mehr aus Trägheit, als aus Ueberzeugung
Priester, was das Sprichwort so prächtig ausdrückt: …“ Hier
folgt ein griechischer Text, der in Übersetzung lautet: „Er ist
unwissend und unmoralisch, ein Faulpelz und Vielfrass; es
bleibt ihm nichts übrig als Priester zu werden.“
Daran anschließend heißt es: „Natürlich kann die Civilisation in
einem Lande keine Fortschritte machen, wo viele Stellvertreter
Gottes nur wegen ihrer Unwissenheit und Unfähigkeit zu jeder
anderen Beschäftigung sich seinem Dienst gewidmet haben,
umso mehr als sie bei aller ihrer Unwissenheit einen grossen
Einfluss auf das Volk ausüben. Mein erlauchter Freund, der
Erzbischof Theokletos Vimpos in Athen, wird nicht müde,
gegen diesen Zustand der Dinge in Predigten und Schriften zu
eifern; aber bis jetzt ist noch von keiner Reform etwas zu hören.
Ein grosses Unglück, welches Ithaka mit ganz Griechenland
gemein hat, ist der Umstand, dass ausser den 52 Sonntagen
jährlich 97 Festtage, also im Ganzen 149 Tage gefeiert
werden. Dieser ungeheure Missbrauch ist natürlich ein grosses
Hinderniss für die Entwickelung der landwirthschaftlichen und
gewerblichen Industrie.“
In einemBrief an Halbbruder Ernst vom 12. Dezember 1869 aus
Paris lässt sich Schliemann, der vom Tod seiner zehnjährigen
Tochter gerade erfahren hat, zu den Worten über Jekaterina
hinreißen: „Es scheint, als ob Gott sie hat strafen wollen.“
1872/74 – Hier können wir Stellen aus dem trojanischen
Tagebuch und aus „Trojanische Alterthümer“ heranziehen. Auf
den Seiten 53 ff. bringt Schliemann ein ausführliches Zitat aus
Émile Burnoufs „La Science des Religions“ über „die Theorie
von Christus“, die wie alle Welt weiß, „viel älter ist als Jesus
Christus“. Platzgründe erlauben nicht, hier die lange Stelle zu
zitieren. Man lese bitte selbst im Buch nach.
Natürlich gehören zu jedem Sonntagsvortrag auch ein paar
„Auflockerungen“. Die Gelegenheit dazu bot ein Zitat auf S.
254 f. (XXI. Pergamos von Troja, 16. April 1873). Schliemann
hatte Überreste einer gepflasterten Straße entdeckt: „Es ist mir
ungemein daran gelegen, dass die grossen Steinplatten des
Thurmweges nicht von Christen oder Türken weggeschleppt
werden, und um dies zu verhüten, habe ich das Gerücht
verbreitet, Jesus Christus habe den König Priamos besucht und
sei auf diesemWeg hinaufgestiegen; um diesemUmstande noch
mehr Gewicht beizulegen, habe ich ein grosses Christusbild an
der Nordwestseite der Thurmstrasse in der Erdwand befestigt.
Gegen die Angriffe der abergläubischen Christen dieser Ebene
sind daher die Dallen vollkommen gesichert, und, wie ich hoffe,
auch gegen die Habgier der Türken, denn wenngleich diese
die Heiligenbilder verabscheuen, so flössen ihnen dieselben
dennoch eine gewisse Furcht ein.“
Das soll für diesen Gliederungspunkt erst einmal genügen.
6. Briefpartner mit religiösem Hintergrund
Zu nennen und bei ihnen dann nachzuschauen wären:
(Friedrich) Max Müller (1823 Dessau – 1900 Oxford), Sprach-
und Religionswissenschaftler.
Émile-Louis Burnouf (1821 Valognes – 1907 Paris), Indologe
und Altphilologe. Neben „La Science des Religions“ auch
Verfasser von „Essai sur le Veda“.
Ernest Renan (1823 Tréguier – 1892 Paris), Schriftsteller,
Historiker, Archäologe, Religionswissenschaftler, Orientalist.
Er verfasste u. a. auch ein Werk über das Leben Jesu.
Salomon Reinach (1858 Saint-German-en-Laye – 1932
Paris), Archäologe, Philologe, Kunsthistoriker und
Religionswissenschaftler.
Weitere wären noch zu nennen, wie z. B. Präpositus Fröhlich,
Theokletos Vimpos und Schwager Wilhelm Kuhse.
7. Die „göttliche Vorsehung“
Hier gilt es nur zu vermerken, wann undwie oft auch Schliemann
solche Floskeln benutzte, die auch wir heute noch im Munde
führen: „Gottlob“, „so Gott will“ oder „Gott sei Dank“.
Besonders hatte es ihm die „göttliche Vorsehung“ angetan.
Darüber machte sich schon der „Kladderadatsch“ im Jahre
1873 lustig. In einer Strophe eines Gedichtes, das den „Schatz
des Priamos“ auf die Schippe nahm, heißt es:
Dies Alles fand Schliemann von furchtbarem Werth -/Die
‚göttliche Vorsehung’ hat’s ihm bescheert./Holdrio!
8. Homer als „Ersatzreligion“
DassHomer für Schliemann in seinen letztenLebensjahrzehnten
sein „Hausgott“ war, dürfte wohl in der Forschung unstrittig
sein. Ebenso die Behauptung, dass der berühmte Ausgräber,
sagen wir es einmal so: die olympischen Götter verehrte.
Wenige Beispiele:
Am 12. April 1884 schreibt Schliemann aus Tiryns an Rudolf
Virchow: „Hoch lebe Pallas Athene, unter deren Schutz ich
hier einen die ganze obere Burg einnehmenden, mit unzähligen
dorischen Säulen geschmückten vorhistorischen Palast
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