Seite 34 Informationsblatt 25 Dezember 2013
seine vielen und frühzeitigen Äußerungen wie „meine Zeit ist
beschränkt“, „wenn ich noch lebe“ … Rainer Hilse hatte mir
dazu geschrieben: „Was hat es mit seinen Todesahnungen, dem
Umgang mit dem Tod, mit Friedhöfen und Grabdenkmälern
auf sich? Ist die Deutung von Niederland in diesem Punkte
umfassend? Ist es richtig, wenn einige Autoren daran glauben,
hier einen Beweggrund zu sehen, dass Menschen mit solchen
„Bindungen“ bestimmte Berufe ergreifen, u. a. Archäologe?“
Über die Beerdigung ihres Mannes schreibt seine zweite
Ehefrau an Schwester Louise am 9. Januar 1891 aus Athen:
„Die Beerdigung fand am Sonntag statt. Es war so feierlich so
schön – man sprach so viel Gutes von meinem theueren Mann,
es wurden ihm so viele Ehren zutheil, aber was ist das Alles mir
die ich doch meinen treuen Gefährten begraben mußte!“
5. Bemerkungen über Religionen in seinen Werken und Briefen
DaswarderausführlichstePunktmeines125.Sonntagsvortrages,
den ich hier nur verkürzt wiedergeben kann. Die Aussagen
Schliemanns über Religionen hatte ich chronologisch geordnet.
In Zukunft wäre auch eine thematische Ordnung angebracht.
1842 – In dem bekannten Brief an die Schwestern vom 20.
Februar 1842 schreibt Schliemann aus Amsterdam: Einerseits
macht sich der Schiffbrüchige über das „zweifelhafte Jenseits“
und über eine Rettung durch „Maria und ihren Sohn“ lustig,
was schon an Blasphemie grenzt. Dann aber: „Ich glaube an
einen Gott.“
7
Wörtlich heißt es: „Die Religiosität herrschet hier
[in Amsterdam –RW] ungeheuer, es gibt hier 28 katholische
und 20 protestantische, reform usw. Kirchen, die stets alle
gedrängt voll sind. Ich besuche immer die spanisch-katholische
Kirche
8
, ohne jedoch Katholik zu sein. Über meinen Glauben
macht Euch keinen Kummer, denn ich glaube an einen Gott,
und was bekümmere ich mich weiter um das Nebengeschwätz
der Derwische, Priester, Mönche und Pfaffen, die doch nur alle
Zusätze erdichtet haben? Ich thue recht und scheue Niemand,
und glaube, was ich kraft m/ Vernunft glauben kann.“
1855 – Brief an Schwester Doris, St. Petersburg 9. Juni 1855:
„In Geschäften gab mir Gott seither den reichlichsten Segen
und ich habe seit meiner Rückkunft von Californien mein
Vermögen mehr wie verdreifacht.“
1858/59 – In Briefen an seinen Vater und die Schwester
berichtet Schliemann ausführlich über seine Orientreise, die
ihn zu vielen heiligen Stätten führte. Ostern 1859 verbringt
er in Jerusalem: „Ich brauche Euch wohl kaum zu versichern,
daß ich den Garten von Gethsemane, (von welchem einliegend
eine Blume), den Ölberg und kurz jeden im Neuen und Alten
Testamente erwähnten Platz besuchte.“ Kritisch vermerkt er
die Zwietracht zwischen den armenischen, griechischen und
katholischen Gemeinden. „Jerusalem war, wie mir die Konsuln
versichern, noch vor 15 Jahren ein erbärmliches Dorf von kaum
2000 Einwohnern, ohne eine einzige Fensterscheibe, und hat
7 Kommentar von Rainer Hilse dazu: „Er schreibt nicht, ich glaube an (un-
seren) Gott, den Allmächtigen o. ä.“
8 Dazu mehr im Resümee.
sich seitdem durch den Wettkampf der Religionsparteien und
vermehrten Wallfahrten sehr bedeutend gehoben, und es sind
hier jetzt viele schöne Häuser.“
Er besucht dann weiter Aarons Grab und die Gräber von
Abraham, Isaak und Jakob in Hebron. Auch die Trümmer von
Gomorra und Nazareth sah er. Und er schickt den Verwandten
auch „ein Stück von Madame Lot; das heißt von der Salzsäule,
in die sie beim Umdrehen verwandelt wurde.“
Wir erfahren aus den Briefen auch, dass er viele Stellen des
Korans auswendig weiß, jedoch niemals aus Vorsicht den
Namen des großen Propheten erwähnt.
In seiner Schliemannbiographie aus dem Jahre 1932 erwähnt
Emil Ludwig eine pikante Geschichte: Schliemann verschweigt
im Tagebuch ein Faktum. „Er durfte es weder seinen Heften
noch seinen Memoiren anvertrauen, denn dann liefe er
Gefahr, von irgendeinem frommen Mohammedaner auch
noch nach Jahrzehnten getötet zu werden. Nur den Seinigen
hat Schliemann gestanden, daß er damals in Mekka war; ja,
seine Neugier und Vorsicht war so groß, daß er sich heimlich
beschneiden ließ, um sich nicht zu verraten.“
9
1865-67 – In seinem China- und Japantagebuch und dessen
Publikation berichtet er in zwei Stellen über Tempelsitten in
Japan (S. 101 und S. 111).
In einem undatierten Brief aus Indien an die Schwestern
heißt es u. a.: „Lebet wohl meine Lieben; von ganzer Seele
wünsche ich Euch vergnügliches Weihnachtsfest u des
Himmels allerreichsten Segen zum neuen Jahre. Ich werde
das Weihnachtsfest wohl in Benares u Neujahr im alten Delhi
zubringen. Meine wärmsten Gebete fliegen an letzterem Tage
für Euch zu Gott empor.“ Dann macht er ihnen aber schwere
Vorwürfe, warum sie ihm nichts vom Seelenleiden des Bruders
Paul, der 1852 Selbstmord beging, berichtet haben. Nun wäre
er „an Bord der Dampfschiffe in der Mitte der brausenden
Fluten des indischen Oceans“ schwermütig geworden. „Es ist
mir immer a1s wäre es noch Zeit Paul zu retten u doch ruht er
schon über 12 Jahre. Paul‘s Andenken hat mich zur Religion
zurückgebracht denn nur im Glauben ist‘s mir möglich Friede
u Hoffnung auf Vergebung zu finden. Soll ich nicht für Paul ein
schönes Grabmal setzen lassen? Aber sehe ich dann nicht aus
wie jener Gil Blas de Santillana, der, Millionair u Secretair des
1ten Ministers, seiner Mutter u seinemVater, nachdem er sie in
Elend hatte umkommen laßen, glänzende Leichenfeier machen
ließ?“
1868/69 – Auch im Buch „Ithaka, der Peloponnes und Troja“
sind einige Stellen zu finden. Auf Seite 33 f. regt er sich
über das gestrenge Fastengebot auf Ithaka auf. Er wurde
zurecht gewiesen: „Sie sind Christ und wollen am Freitag
Fleisch essen?“ Ja, noch nicht einmal Fisch bekam er. „Mit
vieler Mühe gelang es mir, etwas Oel zu bekommen, um die
Kartoffeln einzutauchen. Diese mehr als bescheidene Nahrung
9 Zuerst wieder aufgegriffen von Hans Lamer, Wörterbuch der Antike, 1936.
Das war natürlich ein spannendes Thema in der Diskussion. Die Wahrheit
über die Beschneidung weiß nur seine Frau Sophia. Doch sie ist seit 81
Jahren tot.
Beiträge und Berichte