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Seite 32 Informationsblatt 25 Dezember 2013

Bei meinen Sonntagsvorträgen gebe ich auch meinen

ZuhörerinnenundZuhörerndieMöglichkeit,Themenvorschläge

zu machen. So wünschte sich vor knapp drei Jahren Peter

Voppmann, eines der aktivsten Mitglieder der HSG und

professioneller Vorleser unserer jährlichen „Herbstlese“, etwas

über Schliemanns Verhältnis zur Religion zu hören. Zweimal

hatte ich dieses Thema geplant: 2011 und 2012. Zweimal

habe ich es verschoben, weil es ein äußerst kompliziertes

und vor allem sehr aufwändiges Unterfangen war und ist.

Nun, im November 2013, wollte ich es wagen. Ich schrieb

einige Schliemannforscher an, ob Sie mir aus ihrer eigenen

Beschäftigung mit dem berühmten Kaufmann und Forscher

noch Hinweise zur Bewältigung des Themas geben könnten:

Wout Arentzen (Utrecht), Wilfried Bölke (Ankershagen-

Bocksee), Rainer Hilse (Ankershagen-Friedrichsfelde), Armin

Jähne (Bernau), Tobias Mühlenbruch (Marburg), Stefanie

Samida (Potsdam), Michaela Zavadil (Wien). Alle haben

geantwortet, zumeist mit den Worten: Mit diesem Thema

habe ich mich noch nicht beschäftigt, damit wollte ich mich

später beschäftigen, bin selbst noch in der Recherche. Auch für

diese Auskünfte herzlichen Dank! Besonders bedanken muss

ich mich aber bei Wout, Rainer und Armin, die mir wertvolle

Hinweise gaben.

Meinen 125. Sonntagsvortrag begann ich dann mit der

Bemerkung: Ich möchte mit allen meinen Sonntagsvorträgen

vor allem Anregungen für eine Weiterbeschäftigung mit dem

jeweiligen Thema geben – mit diesem am heutigen Tag aber

ganz besonders, denn er ist erst einmal nur ein Torso. Und dann

zitierte ich unseren Vorsitzenden: „Du hast Dir ein wirklich

schwieriges Thema gewählt. Es ist Neuland! Hoffentlich tippst

Du nicht ein Thema an, auf welches sich die Religionshistoriker

stürzen werden, mit unabsehbaren Folgen für H. S.“

1

Der folgende Text gibt aus Platzgründen nur einen Ausschnitt

aus meinem Sonntagsvortrag. Die Thematik werde ich

demnächst an anderer Stelle ausführlicher behandeln. Dieser

Beitrag soll zu einer Zusammenarbeit und kontinuierlichen

Ergänzung unseres Wissens über „Der Pastorensohn Heinrich

Schliemann und die Religionen“ aufrufen. Dieses Thema ist

allein nicht zu bewältigen, wie z. B. auch die Forschungen über

„Schliemann auf Reisen“.

2

Den Sonntagsvortrag gliederte ich in folgende Punkte:

1. Heinrich Schliemann – Sohn eines evangelischen

Pastors

2. Zwei kirchliche Hochzeiten und eine Scheidung

einer russisch-orthodox geschlossenen Ehe

3. Vater von fünf Kindern – Taufe und Erziehung

4. Tod und Begräbnis

1 Als ich diese Bemerkung Wout Arentzen mitteilte, antwortete er in seiner

unnachahmlichen Art: Hoffentlich stürzen sich die Religionshistoriker

darauf!

2 Hier haben Tobias Mühlenbruch mit seinem „Itinerar“ und das HSM mit

einer Sonderausstellung wertvolle Anfänge gemacht.

5. Bemerkungen über Religionen in seinen Werken

und Briefen

6. Briefpartner mit religiösem Hintergrund

7. Die „göttliche Vorsehung“

8. Homer als „Ersatzreligion“

9. Resümee

1. Heinrich Schliemann – Sohn eines evangelischen Pastors

Hier verwies ich auf die bekannten Tatsachen, dass der Vater

Heinrich Schliemanns, Pastor Ernst Schliemann (1780-1870),

nicht der Pastor war, „wie er im Buche steht“. Er zählte zu

jenen Geistlichen, die öffentlichWasser predigten und heimlich

Wein tranken. Sein Amt, von dem er vom Großherzog von

Mecklenburg-Schwerin 1831 wegen unmoralischen Verhaltens

entbunden wurde, übte er anfangs in Neubukow, dann in

Ankershagen aus. Er unterhielt außereheliche Beziehungen

mit Mägden (speziell mit Sophie Schwarz) und war, wie

ich es immer vornehm ausdrücke, dem Weine nicht abhold.

Fürchterliche Sachen erfahren wir im gewaltigen Nachlass des

Sohnes über seinen Vater.

3

Ich zitierte einige Stellen, von denen Emil Ludwig im Jahre

1932 noch davon sprach, dass sie sich der Wiedergabe geradezu

entziehen.

Tempora mutantur nos et mutamur in illis

(Die

Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen).

Der amerikanische PsychiaterWilliamNiederland hatte vor rund

50 Jahren aus Schliemanns italienischem Sprachübungsheft

(zwischen 1858 und 1862 angelegt) folgendes veröffentlicht:

„Mein Vater war Pastor ... Er hatte viele Kinder und wenig

Geld. Er war ein liederlicher Mensch, ein Wüstling; er enthielt

sich nicht unzüchtiger und ehebrecherischer Beziehungen

zu Mägden, die er seiner eigenen Frau vorzog. Seine Frau

mißhandelte er, und ich erinnere mich aus meiner frühesten

Kindheit, daß er sie wüst beschimpfte und bespuckte. Er

schwängerte sie, um sie loszuwerden, und mißhandelte sie

mehr denn je während ihrer (letzten) Schwangerschaft. So

kam es, daß ein Nervenfieber, an dem sie erkrankte, schnell zu

ihremTode führte. MeinVater täuschte dann schweres Leid und

großen Kummer vor, und veranstaltete ein prächtiges Begräbnis

für sie, die er aus Schlechtigkeit getötet hatte, und obgleich

es Winter und die Erde gefroren war, ließ er eine prunkvolle

Grabstätte aus Stein errichten ... von einem Gitter umgeben und

mit folgender Inschrift versehen: ‚Ruhe in Frieden, süße Frau!

Mutter! Schlafe, bis die große Posaune ertönt und Dich aus

dem Dunkel des Grabes uns wiederbringt. Wir werden Deiner

gedenken, bis der Geist von der Schale der Lethe trinkt‘, ...“

In dem langen Brief aus Amsterdam vom 20. Februar 1842 an

seine Schwestern schreibt Schliemann über das Verhältnis des

Vaters zu seiner zweiten Frau, Sophie Behnke: „Kaum grauet

3 Der beste Kenner über das Verhältnis von Vater und Sohn ist Wilfried

Bölke, der die Masse an Familienbriefen gegenwärtig bearbeitet.

Beiträge und Berichte

Der Pastorensohn Heinrich Schliemann und die Religionen

(125. Sonntagsvortrag am 10. November 2013)