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Informationsblatt 25 Dezember 2013
Exkursion
Der schwedische Baron Wrangel, Spion im Dienste des Königs
von Frankreich, charakterisiert Charlotte, als die Heiratspläne
des englischen Königshauses bekannt wurden, als liebenswer-
te Person einfachen Gemütes, die keine Ahnung vom Wert des
Geldes und von Politik hat und bar jeder Ausbildung und Be-
lesenheit ist. Er verweist auf die Einfachheit des kleinen Hofes
und darauf, dass sie deshalb ohne jeden Prunk erzogen wurde.
Tatsächlich ist der Hof so klein, dass Friedrich der Große den
Eindruck hat, die Mecklenburg-Strelitzer seien ein Eingebore-
nenstamm, dem er spöttisch den Namen „Mirokesen“ verpasst.
Auch in England herrschte Skeptizismus. Würde der Gesandte
mit dem Heiratsvertrag ein Herzogtum überhaupt finden, wel-
ches dermaßen abgelegen ist? Selbst bei Reuter bleibt der spöt-
tische Zug über die Kleinheit des Herzogtums. Man möge in
seinem Roman „Dörchleuchting“ nachlesen.
Dass das Herzogtum klein ist, lässt sich nicht bestreiten. Dass
Charlotte nicht im Luxus von Königshäusern aufgewachsen
ist, denn das Herzoghaus zählt nicht zu den Wohlhabenden,
entspricht der Wahrheit. Die Einschätzung Wrangels, was ihre
Bildung anbelangt, ist falsch, denn obwohl ihr Französisch
schlecht ist, liest sie schon mit 15 Jahren Voltaire. Im August
1761 verbringt Charlotte die letzte Nacht in Mirow und bricht
dann mit den Gesandten auf, um in England Königin zu wer-
den.
Georg III., König von England, hatte dem Bericht über Char-
lotte noch hinzugefügt: „Es ist nicht in allen Einzelheiten das,
was ich mir wünsche, aber dennoch bin ich entschlossen, mich
hier festzulegen.“ Eine wahre Schönheit, wie ihre Nichten Lui-
se und Friederike, war Charlotte nicht. Verleumder beschrieben
sie als klein, verwachsen – ein wahres Mulattengesicht, andere
Zeitgenossen fanden in dieser Beziehung nichts Besonderes er-
wähnenswert, außer dass ihr Gesicht nicht missfällt.
Am 22. September 1761 fand in Westminster Abbey die Krö-
nung König Georgs III. und der Königin Charlotte statt. Im
Verlaufe ihrer Ehe gebar sie 15 Kinder, um die sie sich liebe-
voll kümmert. König Georg III. liebte sie aufrichtig, und seine
Untertanen erkennen das relativ einfache häusliche Familienle-
ben des Königspaares an. Selbst Georgs Schwester bringt zum
Ausdruck: „Je mehr ich von der Welt sehe, desto glücklicher
bin ich, dass sie in England ist.“
Als Charlotte nach England kam, war sie der Landessprache
kaum mächtig, vervollkommnete ihre Kenntnisse alsbald so,
dass sie in der Lage war, englische Sonette zu schreiben, Aus-
druck ihrer Liebe für die Musik. Sie pflegte Hausmusik, gab
Konzerte für die Familie und erhielt dreimal wöchentlich Ge-
sangsstunden von Johann Christian Bach, dem jüngsten Sohn
Das Kavaliershaus (3 Königinnen Palais)