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Informationsblatt 24 Dezember 2012
Beiträge und Berichte
bezogen hält, nach Griechenland und in die Türkei. Er findet
seine Homergläubigkeit bei Probegrabungen auf der Insel
Ithaka bestätigt, kann aber in der Nähe des türkischen Dorfes
Bunarbaschi, wo einige Wissenschaftler den Ort des unterge-
gangenen Troja vermutet hatten, keine seiner Reste auffinden.
Auf der Rückreise trifft er zufällig mit dem Engländer Frank
Calvert zusammen, der zu dieser Zeit amerikanischer Konsul
an den Dardanellen und Amateurarchäologe ist. Dieser macht
Schliemann auf die wahre Lage von Troja auf dem Hügel His-
sarlik aufmerksam und ermutigt ihn, dort mit Ausgrabungen
zu beginnen. Schliemann entschließt sich nach einer Ortsbe-
sichtigung spontan, auf eigene Kosten das vermutete homeri-
sche Troja auszugraben. Seinem Vater teilt er am 12. 8. voller
Selbstbewusstsein mit: „Nachdem ich hier auf der von Gelehr-
ten vermeinten Stelle des alten Trojas wohl an 30 verschiede-
nen Orten Ausgrabungen angestellt und weder Topfscherben
noch Spuren von Ziegeln entdeckt habe, bin ich jetzt im Stande
zu beschwören daß Troja hier nie gestanden hat. Ich bin dage-
gen … zur Ueberzeugung gekommen daß es, circa 1 deutsche
Meile näher dem Meere, um einen Berg herum gelegen haben
muß, der mir größtentheils künstlich zu sein scheint und auf
dem ich Pergamos (die Burg von Troja) zu finden hoffe. Ich bin
entschlossen diesen Berg im nächsten Frühjahre abtragen zu
lassen.“
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Schliemann hatte endlich, nach jahrelangem Suchen,
eine neue Lebensaufgabe gefunden!
Wieder nach Paris zurückgekehrt, macht er sich sofort daran,
über seine Reise ein zweites Buch zu schreiben. Bereits An-
fang Dezember hat er es fertiggestellt, wiederum in franzö-
sischer Sprache, danach lässt er es mit dem Titel „Ithaka, der
Peloponnes und Troja“ ins Deutsche übersetzen. Daraufhin
macht sein Schwager Hans Petrowsky, der mit Schliemanns
Schwester Dorothea in Röbel verheiratet ist, Schliemann den
Vorschlag, seine Reisebeschreibung als Doktorarbeit an ei-
ner Universität einzureichen: „Für den Erfolg möchte ich fast
bürgen.“
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Dieser Vorschlag wird von Schliemann aufgegriffen
und für ihn eine große Bedeutung erlangen.
Das Jahr 1869 hatte begonnen. Jetzt, wo Schliemann nach
Fertigstellung seines Buches wieder zu sich selber gefunden
hatte und er sich seit langem wieder befreit fühlt („Ich bin jetzt
Schriftsteller geworden und amüsiere mich dabei ungemein“
6
),
wurde ihm schmerzlich die lange Trennung von seiner Fami-
lie, vor allem von den drei Kindern, bewusst. Die Entfrem-
dung zu ihnen war weiter fortgeschritten und deren Post an ihn
wurde immer seltener. Zum russischen Weihnachtsfest unter-
nimmt er Anfang Januar 1869 einen letzten Versuch, seine Ehe
zu retten und seine Frau bei einem Besuch in St. Petersburg zu
veranlassen, mit den Kindern zu ihm zu kommen.
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Ihr katego-
risches „Nein“ veranlasst Schliemann nun, einen Weg zu su-
chen, um seine Ehe so schnell als möglich scheiden zu lassen.
Da dies in Russland nach russisch-orthodoxem Kirchenrecht
nicht möglich ist, wendet sich Schliemann Hilfe suchend an
seinen Vetter Adolph Schliemann, einem angesehenen Rechts-
4
E. Meyer (Hrsg.), Heinrich Schliemann – Briefwechsel II. Band von 1876
bis 1890, Berlin 1958, 31.
5
Hans Petrowsky an HS am 5. 12. 1868 (Archiv HSM B 63 F2/58611).
6
HS an Lichtenstein am 16. 12. 1868 (Gennadius Library BBB 27/553).
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Siehe Fußnote 6.
gelehrten und Mitglied der Justizkanzlei in Schwerin mit der
Bitte, ihn bei der Ehescheidung juristisch zu beraten. Adolph
rät seinem Vetter, wegen der Scheidung nach Nordamerika zu
gehen, wo günstige Scheidungsgesetze existieren würden. In
Mecklenburg und Preußen könne niemand für einen positiven
Ausgang garantieren.
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Inzwischen ist Schliemanns neues Buch erschienen, das die-
ser auch seinem Vetter schickt mit der Anfrage, ob diese Ar-
beit als Doktorarbeit anerkannt werden würde. Dieser bittet
um Zusendung weiterer Exemplare, die er an Professoren der
Rostocker Universität verteilt. Als diese positiv reagieren,
schlägt Adolph seinem Vetter vor, zur Einleitung eines Pro-
motionsverfahrens einen Antrag an die philosophische Fa-
kultät zu senden.
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Das tut Schliemann umgehend und schickt
an den Dekan der Rostocker Universität seine beiden Bücher
zusammen mit seinem Lebenslauf in altgriechischer und latei-
nischer Sprache. Einen Tag später, am 12. März 1869, tritt er
eine Schiffsreise nach Amerika an, um dort eine Möglichkeit
zu suchen, seine russische Ehe scheiden zu lassen. Er ist vol-
ler Optimismus, dass dies gelingt, und so schmiedet er bereits
Pläne für eine neue Partnerschaft. Schon vor seiner Reise nach
Amerika hatte Schliemann seinen früheren Griechischlehrer,
den griechischen Bischof Vimpos, gebeten, ihm bei der Suche
nach einer griechischen Frau behilflich zu sein.
Am 27. 3. trifft er in New York ein und erhält zwei Tage später
seine Papiere als Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika.
Da das Scheidungsrecht in den einzelnen Staaten unterschied-
lich geregelt war, entscheidet sich Schliemann für Indiana, wo
die Bedingungen für ihn am günstigsten erschienen. Er nimmt
sich in Indianapolis, wo er sich ein Haus mietet und möbliert,
fünf tüchtige und einflussreiche Anwälte und reicht die „nach
Kräften begründete“ Scheidungsklage ein.
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Schliemann er-
wartet mit Ungeduld die baldige Ehescheidung. Doch wider
Erwarten treten immer wieder Probleme auf. Seine Rückreise
muss er deshalb mehrmals verschieben.
Schliemann erreicht während der Wartezeit von Vetter Adolph
die Nachricht, dass er am 27. April 1869 an der Rostocker
Universität
in absentia
promoviert worden sei. „Sie schrie-
ben mir von der Rostocker Universität, daß sie einstimmig
gefunden haben, daß meine beiden Bücher und meine beiden
Abhandlungen in Griechisch und Lateinisch völlig die Beför-
derung zur Würde eines Doktors der Philosophie verdienen
…“, schreibt er stolz an seinen Halbbruder Ernst.
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Mit dem
Doktortitel (Abb.2) hat Schliemann nun auch den Nachweis
für seine wissenschaftliche Kompetenz erbracht!
Unerwartet muss Schliemann dem Gericht den Nachweis er-
bringen, dass er als Kläger schon längere Zeit ein „echter“ Be-
wohner des Staates Indiana und dort auch geschäftlich tätig
ist. Er kauft deshalb in aller Eile ein Haus und findet Zeugen,
die seine langjährige Sesshaftigkeit und Geschäftstätigkeit be-
zeugen können. Am 30. Juni 1869 wird Schliemanns erste Ehe
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Adolph Schliemann an HS am 20. 2. 1869 (Archiv HSM B 63F3/59103).
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Adolph Schliemann an HS am 25. 2. 1869 (Archiv HSM B 63F3/59137).
10
HS an Adolph Schliemann am 7. 4. 1869 (Gennadius Library BBB 28/1-2).
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HS an Ernst Schliemann am 19. 5. 1869 (Archiv HSM K 16).