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Seite 47

Informationsblatt 24 Dezember 2012

Beiträge und Berichte

Neue Erkenntnisse zum Grabkreuz der Mutter Heinrich Schliemanns auf

dem Friedhof in Ankershagen

Beim Auswerten des Briefwechsels Heinrich Schliemanns bin

ich in der Gennadius Library in Athen auf Briefe Schliemanns

gestoßen, die uns neue Erkenntnisse zum Grabkreuz seiner

Mutter auf dem Friedhof in Ankershagen vermitteln.

Am 28. 2. 1868 erhielt Schliemann in Paris von seinem Vetter

Adolph die Nachricht vom Tode seiner unverheirateten und

gleichaltrigen Cousine Sophie Schliemann, mit der ihn eine

platonische Liebe verband.

1

Diese Nachricht stürzte Schlie-

mann in eine tiefe Krise. Er hatte seine Cousine zwar spo-

radisch finanziell unterstützt, war nun aber untröstlich, sich

in der letzten Zeit nicht mehr um seine kranke Cousine ge-

kümmert zu haben. Er fühlte sich an ihrem Tode mitschuldig.

Schliemann hatte nun das Verlangen, für seine verstorbene

Cousine nach ihrem Tode etwas zu tun. Er schrieb an deren

Bruder, seinen Vetter Emil Schliemann

2

nach Alt-Bukow, wo

Sophie im Familiengrab beerdigt worden war.

„Wenn mir vom Schicksal das Glück nicht vergönnt war die

seelig Entschlafene im Leben zu ehren wie sie es verdiente,

so soll sie doch wenigstens im Tode geehrt werden und bitte

ich Dich der Geliebten ein Gewölbe bauen u ein 8 Fuß hohes,

eisernes Monument errichten zu lassen, auch das Grab mit

eisernem Gitter umgeben zu lassen. Ich mögte daß das Denk-

mal demjenigen ähnlich wäre welches ich meiner Mutter in

Ankershagen habe setzen lassen. Onkel Becker

3

macht Dir auf

Deine Anfrage, genaue Beschreibung davon. Zur Bestreitung

der Kosten sende ich vorläufig einliegend 100 Rt. Das Denk-

mal meiner Mutter kostete nur 40 Rt. Buckow wird zukünftig

mein Wallfahrtsort sein, denn ich kann nicht leben ohne So-

phie zu besuchen.“

4

Seinen Wunsch nach Errichtung eines Denkmals für Sophie

teilte Heinrich Schliemann am 8. 3. 1868 auch seiner Tante

Friederike

5

in Wismar mit, bei der Sophie die letzten Jahre

nach dem Tode der Eltern in Kalkhorst gewohnt und die sie

zuletzt gepflegt hatte:

„Ich habe letzteres

(das Denkmal der Mutter – W. B.)

nicht

gesehen. Denn es wurde, auf meinen Wunsch, von einem mei-

ner Freunde besorgt, während ich in Jerusalem war. Es soll

sehr hübsch sein; wie ich aber höre steht mein Name darauf,

als Widmer. Dies ist gegen meinen Willen geschehen. Schreibe

daher an Emil, er möge nicht sich die unnütze Mühe u nicht

mir den Aerger machen meinen Namen aufs Monument zu set-

zen, denn wenn er es thäte würde ich einen Schmied mit einer

Feile mitbringen um meinen Namen wegzufeilen. Es ist voll-

kommen genug wenn mein Name auf meinem eigenen Grabe

steht, ich will ihn auf Freunde Gräber nicht wissen.“

6

1

Archiv HSM B 62 F1/57373.

2

Vikar in Alt-Bukow.

3

Pastor in Ankershagen.

4

Gennadius Library BBB 27/320.

5

Friederike Hager geb. Becker, eine Schwester der Ehefrau von Pastor

Friedrich Schliemann in Kalkhorst.

6

Gennadius Library BBB 27/324.

Diese Briefe haben eine Vorgeschichte, blicken wir 10 Jahre

zurück: Am 28. 8. 1858 hatte Schliemann aus St. Petersburg

seinem Vater mitgeteilt, dass er in 8 Tagen über Stockholm,

Kopenhagen, Hamburg und Berlin zu ihm nach Dt. Eylau rei-

sen wolle, um danach Italien und den Orient zu besuchen.

7

Wir

wissen nicht, wann sich Schliemann in Berlin aufgehalten hat

und was er dort gemacht hat. Wir können aber vermuten, dass

er bei der Königlichen Eisengießerei das Denkmal für seine

Mutter in Auftrag gegeben hat. Wenn dem so war, wird er auch

den Wortlaut für die Widmung auf dem Grabkreuz übergeben

haben. Er wird erfahren haben, dass mit einer Fertigstellung

im Frühjahr nächsten Jahres zu rechnen ist, zu einer Zeit also,

wo er sich im Ausland aufhalten wollte. Schliemann musste

also eine Vertrauensperson finden und beauftragen, die sich

während seiner Abwesenheit um die Aufstellung in Ankersha-

gen kümmern konnte. Das könnte sein Jugendfreund Lenz in

Penzlin gewesen sein, der ganz in der Nähe wohnte. Es gibt

einen Beleg dafür, dass Schliemann Michaelis 1858 auch ei-

nen Abstecher nach Röbel gemacht hatte und dort mit seinen

Schwestern zusammengetroffen war. Am 12./13. 10. 1858 hat

er auch seinen Jugendfreund Wilhelm Behnke in Neustrelitz

aufgesucht

8

und ihm offenbar von seiner Absicht (oder seiner

bereits erfolgten Auftragserteilung?) erzählt, für seine Mut-

ter ein Denkmal errichten zu lassen.

9

So wäre die Reaktion

von Behnke im Brief vom 13. 10. an Schliemann

10

zu erklären,

„Sie haben heute aus kindlicher Liebe Ihrer seligen Mutter ein

Denkmal gesetzt …“

. „Gesetzt“ könnte auch im Sinne von „ge-

stiftet, in Auftrag gegeben“ verstanden werden und muss nicht

bedeuten, dass Schliemann an diesem Tag in Ankershagen das

Denkmal hat aufstellen lassen!

7

Gennadius Library BBB 23/339.

8

R. Hilse hat darüber im Informationsblatt der HSG 19, 2008, 60 berichtet;

auch über das Schicksal des Grabkreuzes.

9

Es lässt sich vermuten, dass Schliemann in diesen Tagen auch mit Lenz

zusammengetroffen ist, um mit ihm sein Anliegen zu besprechen.

10

Archiv HSM B37F6/475.

Grab der Mutter Schliemanns mit dem im Jahre 2008 restaurierten Grab-

kreuz (Foto W. Bölke)