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Informationsblatt 24 Dezember 2012
Beiträge und Berichte
Neue Erkenntnisse zum Grabkreuz der Mutter Heinrich Schliemanns auf
dem Friedhof in Ankershagen
Beim Auswerten des Briefwechsels Heinrich Schliemanns bin
ich in der Gennadius Library in Athen auf Briefe Schliemanns
gestoßen, die uns neue Erkenntnisse zum Grabkreuz seiner
Mutter auf dem Friedhof in Ankershagen vermitteln.
Am 28. 2. 1868 erhielt Schliemann in Paris von seinem Vetter
Adolph die Nachricht vom Tode seiner unverheirateten und
gleichaltrigen Cousine Sophie Schliemann, mit der ihn eine
platonische Liebe verband.
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Diese Nachricht stürzte Schlie-
mann in eine tiefe Krise. Er hatte seine Cousine zwar spo-
radisch finanziell unterstützt, war nun aber untröstlich, sich
in der letzten Zeit nicht mehr um seine kranke Cousine ge-
kümmert zu haben. Er fühlte sich an ihrem Tode mitschuldig.
Schliemann hatte nun das Verlangen, für seine verstorbene
Cousine nach ihrem Tode etwas zu tun. Er schrieb an deren
Bruder, seinen Vetter Emil Schliemann
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nach Alt-Bukow, wo
Sophie im Familiengrab beerdigt worden war.
„Wenn mir vom Schicksal das Glück nicht vergönnt war die
seelig Entschlafene im Leben zu ehren wie sie es verdiente,
so soll sie doch wenigstens im Tode geehrt werden und bitte
ich Dich der Geliebten ein Gewölbe bauen u ein 8 Fuß hohes,
eisernes Monument errichten zu lassen, auch das Grab mit
eisernem Gitter umgeben zu lassen. Ich mögte daß das Denk-
mal demjenigen ähnlich wäre welches ich meiner Mutter in
Ankershagen habe setzen lassen. Onkel Becker
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macht Dir auf
Deine Anfrage, genaue Beschreibung davon. Zur Bestreitung
der Kosten sende ich vorläufig einliegend 100 Rt. Das Denk-
mal meiner Mutter kostete nur 40 Rt. Buckow wird zukünftig
mein Wallfahrtsort sein, denn ich kann nicht leben ohne So-
phie zu besuchen.“
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Seinen Wunsch nach Errichtung eines Denkmals für Sophie
teilte Heinrich Schliemann am 8. 3. 1868 auch seiner Tante
Friederike
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in Wismar mit, bei der Sophie die letzten Jahre
nach dem Tode der Eltern in Kalkhorst gewohnt und die sie
zuletzt gepflegt hatte:
„Ich habe letzteres
(das Denkmal der Mutter – W. B.)
nicht
gesehen. Denn es wurde, auf meinen Wunsch, von einem mei-
ner Freunde besorgt, während ich in Jerusalem war. Es soll
sehr hübsch sein; wie ich aber höre steht mein Name darauf,
als Widmer. Dies ist gegen meinen Willen geschehen. Schreibe
daher an Emil, er möge nicht sich die unnütze Mühe u nicht
mir den Aerger machen meinen Namen aufs Monument zu set-
zen, denn wenn er es thäte würde ich einen Schmied mit einer
Feile mitbringen um meinen Namen wegzufeilen. Es ist voll-
kommen genug wenn mein Name auf meinem eigenen Grabe
steht, ich will ihn auf Freunde Gräber nicht wissen.“
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Archiv HSM B 62 F1/57373.
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Vikar in Alt-Bukow.
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Pastor in Ankershagen.
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Gennadius Library BBB 27/320.
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Friederike Hager geb. Becker, eine Schwester der Ehefrau von Pastor
Friedrich Schliemann in Kalkhorst.
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Gennadius Library BBB 27/324.
Diese Briefe haben eine Vorgeschichte, blicken wir 10 Jahre
zurück: Am 28. 8. 1858 hatte Schliemann aus St. Petersburg
seinem Vater mitgeteilt, dass er in 8 Tagen über Stockholm,
Kopenhagen, Hamburg und Berlin zu ihm nach Dt. Eylau rei-
sen wolle, um danach Italien und den Orient zu besuchen.
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Wir
wissen nicht, wann sich Schliemann in Berlin aufgehalten hat
und was er dort gemacht hat. Wir können aber vermuten, dass
er bei der Königlichen Eisengießerei das Denkmal für seine
Mutter in Auftrag gegeben hat. Wenn dem so war, wird er auch
den Wortlaut für die Widmung auf dem Grabkreuz übergeben
haben. Er wird erfahren haben, dass mit einer Fertigstellung
im Frühjahr nächsten Jahres zu rechnen ist, zu einer Zeit also,
wo er sich im Ausland aufhalten wollte. Schliemann musste
also eine Vertrauensperson finden und beauftragen, die sich
während seiner Abwesenheit um die Aufstellung in Ankersha-
gen kümmern konnte. Das könnte sein Jugendfreund Lenz in
Penzlin gewesen sein, der ganz in der Nähe wohnte. Es gibt
einen Beleg dafür, dass Schliemann Michaelis 1858 auch ei-
nen Abstecher nach Röbel gemacht hatte und dort mit seinen
Schwestern zusammengetroffen war. Am 12./13. 10. 1858 hat
er auch seinen Jugendfreund Wilhelm Behnke in Neustrelitz
aufgesucht
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und ihm offenbar von seiner Absicht (oder seiner
bereits erfolgten Auftragserteilung?) erzählt, für seine Mut-
ter ein Denkmal errichten zu lassen.
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So wäre die Reaktion
von Behnke im Brief vom 13. 10. an Schliemann
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zu erklären,
„Sie haben heute aus kindlicher Liebe Ihrer seligen Mutter ein
Denkmal gesetzt …“
. „Gesetzt“ könnte auch im Sinne von „ge-
stiftet, in Auftrag gegeben“ verstanden werden und muss nicht
bedeuten, dass Schliemann an diesem Tag in Ankershagen das
Denkmal hat aufstellen lassen!
7
Gennadius Library BBB 23/339.
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R. Hilse hat darüber im Informationsblatt der HSG 19, 2008, 60 berichtet;
auch über das Schicksal des Grabkreuzes.
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Es lässt sich vermuten, dass Schliemann in diesen Tagen auch mit Lenz
zusammengetroffen ist, um mit ihm sein Anliegen zu besprechen.
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Archiv HSM B37F6/475.
Grab der Mutter Schliemanns mit dem im Jahre 2008 restaurierten Grab-
kreuz (Foto W. Bölke)