Seite 46 Informationsblatt 24 Dezember 2012
Beiträge und Berichte
geschieden, seine Frau hatte keine Möglichkeit, sich zu ver-
teidigen. Ende Juli tritt er die Rückreise nach Frankreich an.
Schliemanns Freund Vimpos hatte ihm inzwischen per Foto
seine Nichte, die siebzehnjährige Athenerin Sophia Engastro-
menos, als Heiratskandidatin vorgeschlagen. Schliemann ist
begeistert, wenn ihm auch der große Altersunterschied von 30
Jahren Sorgen bereitet. Er möchte Sophia kennenlernen und
reist Ende August nach Athen, um sie zu treffen. Nach an-
fänglichen Irritationen willigt Schliemann in die Heirat ein.
Einen Tag vor seiner Hochzeit informiert er seinen Vater und
seine Schwestern von seiner Wiederverheiratung. Angesichts
deren ständiger Ermahnungen, ja nichts zu übereilen, versi-
chert ihnen der sprachbegabte Schliemann, dass Sophia, die
noch recht jung und unwissend sei, in zwei Jahren vier fremde
Sprachen beherrschen werde. „Jedenfalls werde ich mein gan-
zes Leben lang ihr Lehrer bleiben u da sie nie dahin kommen
wird wo ich jetzt schon bin, so wird sie mich immer wie jetzt,
hochachten u da nichts größere u dauerndere Liebe erzeugt
als Hochachtung so werden wir bestimmt glücklich.“
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Schlie-
mann heiratet Sophia am 24. September 1869 in Athen (Abb.3)
und tritt mit seiner jungen Frau eine Hochzeitsreise nach Itali-
en an. Schliemann fühlt sich wie im siebenten Himmel!
Bald stellt sich jedoch heraus, dass Sophia unter den an sie ge-
stellten geistigen Anforderungen ihres Mannes und unter der
Trennung von ihrer Familie seelisch und körperlich sehr lei-
det. Als sich ihr Gesundheitszustand dramatisch verschlech-
tert, muss Schliemann im Frühjahr 1870 seine Pläne für eine
gemeinsame Reise mit Sophia durch Griechenland aufgeben.
Auf eine Grabungserlaubnis der türkischen Pforte für Troja
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HS an Vater und Schwestern am 23. 9. 1869 (Gennadius Library BBB
28/251).
wartend, unternimmt Schliemann die Griechenlandreise nun
alleine. Im April begibt sich Schliemann, wieder ohne seine
Frau, in die Troas auf den Hügel Hissarlik, wo er die Reste des
Palastes des Priamos vermutet. Voller Begeisterung berichtet
er seinem schwer erkrankten Vater von seinen ersten illegalen
Ausgrabungen bis in acht Meter Tiefe, die er dann aber einstel-
len muss.
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Nun wartet er voller Ungeduld auf eine offizielle
Grabungserlaubnis.
Die „Augsburger Allgemeine“ und andere große deutsche Zei-
tungen berichten über Schliemanns Ausgrabungen. Schwager
Martin Pechel aus Dargun in Mecklenburg teilt Schliemann
voller Stolz mit: „Diese Sache hat bei uns großes Aufsehen
gemacht und die Mecklenburger mit Stolz erfüllt …Man zählt
Dich wahrlich nicht mit Unrecht zu den ersten Archäologen,
und gelingt es Dir, … den Pallast des Priamus aufzudecken,
so ist Dein Verdienst und Dein Ruhm groß und Dein Name
wird für alle Zeiten unvergessen bleiben“
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Das Leben hatte
für den selbstbewussten Schliemann wieder einen Sinn und
erstrebenswerten Inhalt erhalten.
Im Jahre 1871 beginnt Schliemann mit der Genehmigung
der türkischen Regierung seine offiziellen Ausgrabungen in
Troja, die ihn wegen ihrer sensationellen Grabungsfunde in
kurzer Zeit in der ganzen Welt als Pionier der Feldarchäolo-
gie bekannt und berühmt gemacht haben. Seine Frau Sophia
begleitete und unterstützte ihn später aktiv bei weiteren Aus-
grabungen und wurde für Schliemann eine liebende und treue
Lebenspartnerin, die ihn um mehr als 40 Jahre überlebte.
Dr. Wilfried Bölke
Schliemanngemeinde Ankershagen
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HS an Vater und Schwestern am 19. 5. 1870 (Gennadius Library BBB
29/72).
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Martin Pechel an HS am 19. 6. 1870 (Archiv HSM B 65F3/60874).
Doktordiplom der Rostocker Universität für Heinrich Schliemann, 1869
(Repro HSM)
Heinrich Schliemann mit seiner griechischen Frau Sophia, Hochzeitsbild
Athen 1869 (Foto Gennadius Library)