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Seite 21

Informationsblatt 23 Dezember 2011

Kolloquium

Amerikaner, über das Sprachgenie und den rastlos Reisen-

den, über den Kaufmann und Archäologen. Besonderes

Augenmerk verlangt die moderne Schliemannforschung,

auf seine Funde und Angriffspunkte zu legen, angefangen

vom Zweifel am „Traum von Troja“ bis hin zu Unstimmig-

keiten betreffs des sog. Schatzes des Priamos. Dabei kom-

men Schliemanns Unterstützer und Freunde wie auch sei-

ne Kritiker ins Spiel. Bei aller berechtigten und zum Teil

überzogenen Kritik an Schliemann darf man trotzdem die

Erinnerung an dessen zahlreiche Auszeichnungen und Eh-

rungen sowie an seine eigenen Grundsätze nicht vergessen.

Damit möchte der Referent den seit vier Jahrzehnten durch

zahlreiche Einzelforschungen etwas ramponierten Helden

nicht wieder auf den Sockel heben, obwohl er es durch die

Freveltat am Schweriner Pfaffenteich nötig hätte, sondern

es kommt immer auf eine möglichst genaue Relation von

Stärken und Schwächen Schliemanns an. Mein oft benutz-

ter Satz „Schliemann war ein Mensch mit vielen Fehlern

und Schwächen, der sogar hin und wieder gelogen hat, aber

seine Verdienste für die Altertumswissenschaft überwie-

gen bei weitem seine Charakterschwächen“ will letztlich

das zum Ausdruck bringen.

Im Folgenden ging der Referent speziell auf einige Sonn-

tagsvorträge ein.

Prof. Dr. David Traill (Davis)

Erfindung in Schliemanns Tagebü-

chern

The growing acceptance of the unrelia-

bility of Schliemann’s reports of his ac-

tivities not only in his personal life but

also in his archaeological work argues for

an increasingly critical look at his more

spectacular finds. This paper shows the

lengths to which Schliemann went to place himself in San

Francisco on the night of the fire that destroyed much of

the city in 1851, when in reality he was in Sacramento. He

carefully glued in an added page to his Tagebuch, and then

numbered all the pages to hide the insertion. He even chan-

ged the date of the fire. We see similar manipulation of the

facts in Schliemann’s accounts of “Priam’s Treasure,” as he

sought to link it to the building he identified as “Priam’s

Palace.” Differing accounts in the 1873 Tagebuch provide

three different find-spots, and two different dates for the

discovery. Examination of two of the plates accompanying

Trojanische Alterthümer strongly suggests that some of the

jewellery and the gold sauceboat were found before 31 May.

Dr. Stefanie Samida (Tübingen)

Nach der Dekonstruktion – Perspek-

tiven der Schliemannforschung heute

Die recht kontrovers und leidenschaft-

lich geführten Diskussionen um Hein-

rich Schliemann in den etwa zwanzig

Jahren von 1972 bis 1992 haben einer-

seits entscheidende Impulse für die

Schliemannforschung geliefert. Ande-

rerseits führten sie aber auch – in der Rückschau auf diese

Zeit – zu einer einseitigen Debatte um Schliemanns Person

und die Frage „Hero or Fraud?“ (D. F. Easton). Es ist heute

Dank der Forschungen von William M. Calder III und Da-

vid A. Traill, um die beiden Hauptkritiker Schliemanns zu

nennen, völlig unzweifelhaft, dass der archäologische Laie

nicht der war, den er in seinen zahlreichen Tagebüchern,

Briefen und wissenschaftlichen Publikationen vorzugeben

beabsichtigte. Sie und andere konnten anhand des intensi-

ven Quellenstudiums und einer kritischen Betrachtung der

Schliemannschen Eigenquellen zeigen, dass er das eine

oder andere Mal seine Leistungen und Taten in einer phan-

tastischen Art und Weise heraushob und in Einzelfällen gar

bewusst fälschte.

Der Beitrag skizziert zunächst in aller Kürze die bereits

im Titel als ‚Dekonstruktion‘ bezeichnete Zeit der Schlie-

mannforschung, um danach auf die Folgen einzugehen. In

einem dritten Abschnitt gibt er einen Ausblick auf mög-

liche Problemfelder innerhalb der Schliemannforschung.

Dabei geht es nicht nur um Forschungen zur Person und

zum Werk Heinrich Schliemanns, sondern auch um solche

Arbeiten, die von wirtschafts-, medien- und wissenschafts-

historischem Interesse sind.

Dr. Tobias Mühlenbruch (Marburg)

Die Rezeption Heinrich Schliemanns

in ausgewählten archäologischen Ar-

beiten des 20. und frühen 21. Jahr-

hunderts

In dem Beitrag wurde das monographi-

sche Werk ausgewählter ForscherInnen

des genannten Zeitraumes zur Ägäi-

schen Bronzezeit und zu Troja auf die

Nennung und mögliche Bewertung der Leistungen und der

Person Heinrich Schliemann hin untersucht. Es waren und

sind mehrere Archäologen aus dem Troja-Team und For-

scher über Troja, die sich intensiver mit der Kritik an der

Person Schliemanns auseinandersetzten, die seine Gra-

bungsmethoden speziell zu Beginn seiner archäologischen

Arbeiten kritisierten, und die verurteilten, dass und wie

Schliemann Troja-Funde außer Landes brachte. Der Um-

gang mit dem Leben und Werk Schliemanns in den Schrif-

ten der Mykenai-Grabungen ist als nüchtern bis tendenzi-

ell positiv zu bewerten. Hinsichtlich der Tiryns-Grabung

David Traill

Stefanie Samida

Tobias Mühlenbruch