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worden. Das Grab war durch den Grafen Stroganow nach Russland transportiert

worden. Es ist groß, aus weißem Marmor und mit Relief-Figuren

geschmückt.

Es ähnelt also in keiner Weise an das von Pasch van Krienen beschriebene Grab.

Hierdurch wird alles, was Heyne über das auf Ios gefundene Grab schreibt, für die

Geschichte von Pasch van Krienen irrelevant.

Ein Jahr später, 1795, kam das neue Denken über Homer in der Hyperkritik von

Friedrich August Wolf zu seinem Höhepunkt. Die „Ilias“ war nicht mehr als eine

Geschichte ohne historischen Kern und Homer, der blinde Sänger, war nicht mehr

als ein Teil dieser Geschichte. Weil Homer nie gelebt hat, konnte er nicht gestor-

ben sein und so hat es auch nie ein Grab von ihm gegeben. In Deutschland wurde

dies für die meisten Kenner der Antike ein Faktum.

In Frankreich und England hatte die Hyperkritik weniger Einfluss. Im Jahr 1832

ging Agricol-Joseph Fortia d‘Urban in seinem

Homère et ses Écrits

ohne eine

weitere Erklärung davon aus, dass das von Pasch van Krienen gefundene Grab

wirklich Homer gehört hat.

In der zweiten Ausgabe seiner

Introduction to the Study of the Greek Classic Poets

von 1834 ist Henry Nelson Coleridge ebenfalls davon überzeugt, dass das durch

Pasch van Krienen gefundenen Grab das Grab von Homer ist.

Im Jahr 1837 wurde wieder detailliert über das Grab von Homer geschrieben.

Dieses Mal durch den deutschen klassischen Archäologen Ludwig Ross. Ross war

im Vergleich zu seinen meisten Kollegen eine Ausnahme. Er lehnte die Ideen von

Wolf ab. Für ihn hat Homer gelebt, und er muss deshalb auch gestorben und be-

graben worden sein. Es gab aber nach Meinung von Ross ein Problem. Pasch van

Krienen war kein Wissenschaftler. Seine Kenntnis der griechischen Sprache war

absolut nicht ausreichend, um eine gute Transkription zu machen. Ross ist der

erste, der sich neben den Texten auch mit dem weiteren Inhalt des Grabes beschäf-

tigt. Als er auf das Messer aus Stein oder Marmor zu sprechen kommt, versteht

Ross, dass es sich hierbei um jene rätselhaften Pfeilspitzen oder Messerklingen

aus Obsidian handeln könnte. Auch in Attika sind solche Objekte aus Obsidian

gefunden worden. Ross erkannte, dass diese Art von Steinwerkzeugen nur in der

Vorgeschichte angefertigt und benutzt worden waren. Da sie aber in einem Grab

aus der Römerzeit gefunden wurden, bedeutete dies, dass sie auch dieser Zeit an-

gehören mussten. Es war alles sehr rätselhaft.

Während eines Besuchs der Insel Ios hörte Ross, dass dort vor Jahren eine Ausgra-

bung gemacht worden war. So bekam er die Gewissheit, dass Pasch van Krienen

hier wirklich gegraben und hier auch eine Inschrift gefunden hat. Darüber hinaus