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Pasch van Krienen. Das Grab von Homer und die Nutzung
von Quellen
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Wout Arentzen
Viele glauben, dass Schliemann, als er auf Hisarlık zu graben begann, der erste
war, der versucht hat, eine „homerische Frage“ mit dem Spaten zu lösen. Das
stimmt aber nicht, dazu kam er um fast hundert Jahre zu spät.
Nach Überlieferung der klassischen Tradition ist Homer auf der Kykladeninsel
Ios gestorben und begraben. Aufgrund dieser Überlieferung haben seit dem Mit-
telalter Reisende Homers Grab auf dieser Insel gesucht. Im 18. Jahrhundert fingen
Wissenschaftler an, über die Realität von Homer zu diskutieren. Viele begannen
zu zweifeln, ob er jemals existiert hat. Hat die Tradition recht oder nicht?
Zwischen 1767 und 1774 wütete zum fünften Mal ein Krieg zwischen Russland
und dem Osmanischen Reich. Im Jahre 1769 schickte Katharina die Große ihre
Ostseeflotte zum Mittelmeer. Am 5. Juli besiegte diese die türkische Flotte in der
Straße von Chios. Die Inseln in der Ägäis kamen bis zum Jahre 1774 unter russi-
sche Herrschaft.
In dieser Zeit reiste der inAldekerck, Herzogtum Geldern, geborene Graf Heinrich
Leonhard Pasch van Krienen durch die westliche Türkei und Griechenland. Ob er
tatsächlich ein Graf war, ist unklar. Über sein Leben ist nur sehr wenig bekannt.
Sicher ist aber, dass er im Jahre 1771 freiwillig und ohne Sold der russischen Flot-
te beitrat, um dort bei der Rekrutierung griechischer Seeleute behilflich zu sein. Zu
diesem Zweck besuchte er viele der ägäischen Inseln. In August 1771 verließ er
die russische Flotte mit einem positiven Zeugnis, um nach West-Europa zurückzu-
kehren. Zuvor bereiste er zum zweiten Mal die Insel Ios. Er suchte und fand seiner
Meinung nach dort das Grab von Homer, und er hoffte, mit dieser Entdeckung die
Diskussion über die Existenz des großen Dichters beenden zu können.
Pasch van Krienens Entdeckung an sich war schon bemerkenswert, aber fast noch
bemerkenswerter war ihre nun folgende Darstellung in der Presse. Sie begann am
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Das ist der Vortrag auf der Konferenz, der von W. Bölke für das Deutsche geglättet und von R. Witte
vorgetragen wurde. W. Arentzen konnte selbst nicht zum Kolloquium anreisen. Sein ausführliches
Manuskript mit Anmerkungen und Abbildungen wird in einer späteren Publikation veröffentlich wer-
den.