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wird er auf eine interessante Inschrift aufmerksam, über die er nach Deutschland
berichtet. Man zeigt Interesse an der Untersuchung des im Westen der Insel gele-
genen Fundplatzes Rantidi. Da aber Ohnefalsch-Richter kurz nach seiner Ankunft
gegen das Antikenausfuhrgesetz verstößt und unter Aufsicht der britischen Ver-
waltung gestellt wird, ist er vom Projekt ausgeschlossen. Robert Zahn,
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Kustos
des Königlichen Antiquariums wird mit der Grabung betraut, die er im September
1910 durchführt. Für Ohnefalsch-Richter entwickelt sich der Aufenthalt zu einem
Reinfall, und er kann „am 3. November 1910 in Folge schlechter Ernaehrung und
schlechter Unterkunft fieberkrank unter Hinterlassung von Schulden von Limassol
ueber Port Said bis nach Genua als Zwischendeckpassagier reisen“
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und beendet
damit seinen letzten Zypernaufenthalt.
In den darauf folgenden Jahren lebt die Familie, teils gemeinsam, teils getrennt, an
der Côte d’Azur und der Riviera, in London und überwiegend in Berlin. 1913 er-
scheint unter dem Namen von Magda Ohnefalsch-Richter, die wohl überwiegend
aus der Feder ihres Mannes stammende Monographie „Griechische Sitten und
Gebräuche auf Cypern“. Sie waren die ersten, die sich der Volkskunde Zyperns in
dieser Intensität gewidmet haben.
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1915 spitzt sich die finanzielle Situation der Familie wieder derart zu, dass von
Ohnefalsch-Richter ein Bittschreiben in Druck gegeben wird, in dem er zu Spen-
den aufruft. Hier begegnet uns noch einmal Dörpfeld; er ist einer der Unterzeich-
ner jenes Schreibens, das nicht ohne Wirkung bleibt und die Situation kurzfristig
entspannt. Die unablässigen existenziellen Sorgen der letzten Jahre haben Ohne-
falsch-Richters Gesundheit angegriffen. Er verstirbt am 6. Februar 1917 in Berlin.
Seine Frau überlebt ihn um nur fünf Jahre und verstirbt 1922 in Wiesbaden. Von
ihrem Sohn Hermann verlieren sich alle Spuren.
Auch wenn die Rahmenbedingungen verhinderten, dass Ohnefalsch-Richter sein
Leben ab 1878 vor allem der Zypernarchäologie widmen konnte, so hat er sich
doch als Mitbegründer einer sich etablierenden wissenschaftlichen Altertumskun-
de Zyperns bleibende Verdienste erworben. Mit Schliemann verbindet ihn eine
Verwandtschaft im methodischen Ansatz. Beide Laien konzentrieren sich auf die
damals von den etablierten Wissenschaftlern ignorierten Kleinfunde.
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Robert Zahn (1870–1945), Klassischer Archäologe, ab 1900 am Antiquarium in Berlin.
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Brönner 2001, S. 231.
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Dörpfeld ist einer der Rezensenten dieses Werkes („Wochenschrift für klassische Philologie“ 31/1,
1914, 1–4); in seiner würdigenden Besprechung widerspricht er lediglich in einem Punkt archäo-
logischer Thesenbildung. Zu der von Ohnefalsch-Richter geplanten englischen Ausgabe kommt
es nicht mehr. 1994 erschien das Standardwerk in griechischer, 2006 in englischer Übersetzung in
Zypern.