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Der Eintrag für den 30. Januar endet mit den Worten: „Ich fahre von Abu Simbel
sehr traurig ab. Ich möchte seine gigantischen Wunder jeden Tag meines Lebens
anblicken.“
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Am selben Tag schreibt er in einem Brief an seinen Schulfreund Wil-
helm Rust:
Ich muss hinzufügen, „dass der Augenblick, wo man das Gestade von Abu Sim-
bel betritt, epochemachend im Leben ist und daß, gleichwie ein glückliches Ehe-
paar sich stets mit Wonne seines Hochzeitstages erinnert, geradeso bleibt der Tag,
wo der Reisende Abu Simbel besuchte, die schönste Erinnerung seines Lebens.
Hier nämlich sind die gewaltigsten Kunstwerke der Welt; die riesigsten Werke
der Griechen und Römer, ja selbst die Pyramiden, sind nur Arbeiten von Zwergen
hiergegen.Hier in der Wüste hat König Ramses II., in der Mitte des 14ten Jahrhun-
derts vor Christus, in einsamer Felswand zwei ungeheure Tempel mit allen ihren
Säulen und Bildsäulen ausgespart und enthält der eine derselben 14 Säle, wovon
einer 17 Meter lang, 16 Meter breit und 12 Meter hoch ist; und vor dem Tempel
sind 4 sitzende Kolosse des Ramses, jede 19 Meter hoch. Die bildlichen Dar-
stellungen und Inschriften, welche die Wände und Decken aller 14 Säle bis aufs
kleinste Fleckchen bedecken, wurden in Relief in den Fels gemeißelt, mit dünnem
Stuck überzogen und bemalt. Bewundernswürdig ist die Farbenfrische dieser 3200
Jahre alten Wandgemälde, die Schlachten, Belagerungen, Friedensabschlüsse, Op-
ferszenen usw. darstellen.“
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Der nächste wichtige Haltepunkt war Luxor-Theben, wohin er sich im Anschluss
an das Tal der Könige begab und die Grabstätte von Seti I., dem Vater von Ramses
II., besuchte. Er schreibt: „In der ersten Durchfahrt fand ich meinen Namen, den
ich im Jahre 1858 neben dem Namen des unglücklichen Kochs einschnitt. Ich füg-
te zu meinem Namen das Jahr 1887 hinzu.“
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Danach besuchte er Grabstätte 11,
wo Ramses III. bestattet ist. Man weiß, dass Ramses III. im frühen 12. Jahrhun-
dert vor Christus regierte, das heißt um die Zeit des trojanischen Krieges (wenn
dieser wirklich stattfand). Schliemann schreibt weiter: „In einem Raum fand ich
bildliche Darstellungen von Kopflehnen, Amphoren, vielen Vasen und auch die
[er zeichnete im Tagebuch eine Bügelkanne - Abb. 9].“
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Auch Napoleons Team
hat diese Sachen gesehen.
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Die Entdeckung von Bügelkannen in dieser Grabstätte
war sehr wichtig, weil Schliemann viele Bügelkannen in Mykene außerhalb der
Schachtgräber, aber noch nicht in Troja gefunden hatte. Drei Jahre später wird
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Schliemann 1886-87, S. 115.
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Meyer 1936
,
S. 260-61.
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Schliemann 1886-87, S. 197.
27
Schliemann 1886-87, S. 197.
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Description 1994, S. 267 und 270.