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Niemann kannte Schliemann – wie auch Alexander Conze – bereits seit dem
Frühjahr 1873 persönlich, da sie imApril dieses Jahres seine Grabungen in Troia
besucht hatten.
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Niemann spielte zweimal eine Rolle in Schliemanns Leben:
1881 empfahl er ihm den jungen Architekten Josef Höfler als Mitarbeiter für die
Grabungen in Troia, und 1889 war er einer der Teilnehmer der ersten Konferenz
ebendort.
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Sehr früh in Schliemanns Laufbahn als Archäologe entspann sich eine Korre-
spondenz mit dem Philologen Theodor Gomperz (1832–1912). Gomperz, 1832 in
Brünn geboren, hatte inWien studiert und sich 1867 ebendort habilitiert, seit 1869
hatte er an der Wiener Universität eine Professur für klassische Philologie inne.
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Er beschäftigte sich u. a. mit Fragen der zyprischen Schrift
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und interessierte sich
daher auch für Schliemanns Forschungen in Troia, da man dort entsprechende
Funde gemacht zu haben glaubte.
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Daraufhin hatte sich Gomperz Schliemanns
soeben erschienenen „Atlas trojanischer Alterthümer“
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gekauft und war – wie
die Mehrzahl seiner Zeitgenossen – mit der Qualität der Abbildungen nicht zu-
frieden gewesen.
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Nun war er in der griechischen Zeitschrift „
Νέα λλάς
“ auf
Photographien einiger Objekte, die ihn interessierten, gestoßen, hatte sich am 4.
April 1874 an den ihm persönlich nicht bekannten Heinrich Schliemann gewandt
und diesen um Zusendung dieser Reproduktionen gebeten. Schliemann antwor-
tete umgehend und schickte ihm die gewünschten Photographien.
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Es entspann
sich eine rege Korrespondenz, die aber schon Ende Juni des Jahres wieder zum
Erliegen kam, als Schliemann seine illegal ausgeführten troianischen Funde vor
dem Zugriff der Behörden versteckte.
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Als im Frühjahr 1875 die Objekte wieder
zugänglich waren, hatte Gomperz in der Zwischenzeit allerdings erkannt, dass
seine Entzifferungsversuche auf falschen Voraussetzungen beruht hatten und da-
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Conze/Hauser/Niemann 1875, S. 5.
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Für Schliemann und Niemann s. Lang-Auinger 2012 und Zavadil 2009. Für Schliemann und
Höfler s. Zavadil 2011.
10
Zu Theodor Gomperz s. Gomperz 1936; ÖBL 2, 1959, S. 31f.; NDB 6, 1964, S. 641f. (A. Lesky);
Kann 1974.
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Gomperz 1874.
12
Schliemann 1874a, S. xxi–xxii. Für eine detaillierte Beschreibung der Geschichte der Entzifferungs-
versuche, aber noch mit rudimentärer Kenntnis der Korrespondenz zwischen Gomperz und Schlie-
mann, s. Wundsam 1978 (auch mit Nennung der älteren Literatur). S. ferner auch Tegyey 2012.
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Schliemann 1874b.
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Gomperz an Schliemann, 4. April 1874 (ASCSA, B 69, Nr. 156). In Bezug auf die schlechte Quali-
tät der Photographien sei zusätzlich zu der bei Zavadil 2015, S. 92f., genannten Literatur auch noch
auf Lascarides 1977, S. 69–72, verwiesen.
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Schliemann an Gomperz, 18. April 1874 (ASCSA, BBB 33, S. 485).
16
Schliemann an Gomperz, 27. Juni 1874 (ASCSA, BBB 34, S. 40f.). Für das gerichtliche Nachspiel,
das die illegale Ausfuhr der Funde aus Troia nach sich gezogen hatte, s. Traill 1995, S. 129–135.