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Auch seine jüngeren Brüder Ludwig und Paul hat Heinrich, wenn auch auf dikta-
torische und sie überfordernde Weise, in ihrem beruflichen Werdegang zu fördern
versucht.
Nach dem frühen Ableben seiner beiden Brüder fühlte sich Schliemann beson-
ders seinem Halbbruder Ernst verpflichtet und versuchte, diesem in seinem be-
ruflichen Werdegang zu helfen. Deswegen kam es mit seinem Vater zeitweilig
zu heftigen Auseinandersetzungen, die sogar zum vorübergehenden Abbruch des
Briefwechsels geführt haben.
Der Vater und die Geschwister verfolgten und kommentierten in ihren Briefen
voller Bewunderung den ungewöhnlichen und erfolgreichen Lebensweg ihres
intelligenten Sohnes und Bruders. Der ständig in Geldverlegenheiten lebende
Vater war fassungslos über die ihm vom Sohn aus Russland mitgeteilten hohen
Geschäftsgewinne. Gleichermaßen befürchtete er wie auch seine Schwestern,
dass Heinrich bei seinen Geschäften und seinem „hitzigen Charakter“
ein viel
zu hohes Risiko eingehen würde und es bald zu Rückschlägen kommen könnte.
Anfängliche Verluste Schliemanns schienen die Befürchtungen zu bestätigen. Als
Schliemann sich als Geschäftsmann in St. Petersburg und Moskau etabliert hatte,
drängten sie ihn zur baldigen Geschäftsaufgabe und unterstützten seine anfängli-
chen Pläne zum Ankauf von Ländereien in Mecklenburg.
Die Bemühungen Schliemanns, eine Ehe einzugehen, wurden anfangs mit Skep-
sis registriert. Sie schienen ihm eine Geldheirat eher zuzutrauen als eine Liebes-
heirat. Als der Vater und die Schwestern Schliemanns russische Frau Katharina
aber persönlich kennen gelernt hatten, waren sie begeistert von ihr. Groß war ihr
Unverständnis, als ihr Bruder die Ehe scheiden lassen wollte, und sie bemühten
sich längere Zeit vergeblich um deren Rettung. Als Schliemann nach Beendigung
des Krimkrieges nach einem neuen Lebensinhalt suchte und Fremdsprachen zu
erlernen begann, fehlte seinen Familienangehörigen jedes Verständnis für solche
„unnützen“ Ambitionen. Die übereilte Heirat Schliemanns mit der siebzehnjähri-
gen Griechin Sophia machte die Schwestern vollends ratlos.
Schliemanns Berichte von seiner zweijährigen Weltreise wurden mit Interesse
verfolgt, sein Entschluss, sich in Paris niederzulassen und zu studieren, werden
Vater und Schwestern verdeutlicht haben, wie sehr die Zerrüttung der Ehe und die
Entfremdung von seinen Kindern vorangeschritten war.
Ebenso skeptisch wurde Heinrichs Ankündigung aufgenommen, mit Sophia ge-
meinsam Troja ausgraben zu wollen. Das änderte sich, als sich die ersten Gra-
bungserfolge einstellten und ihr Bruder und Sophia mit demAuffinden des „Pria-