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der Ernst, dem Weinhändler. Die Rauchwaren ließ er sich zusammen mit dem

ebenfalls georderten roten Bordeaux, den er gleich fassweise kaufte, nach St. Pe-

tersburg und Athen senden.

Der Multimillionär verlangte Sparsamkeit in der Haushaltsführung, pflegte aber

einen standesgemäß gehobenen, am Ende seines Lebens sogar luxuriösen Lebens-

stil.

Betroffen machen den heutigen Leser seiner Briefe Schliemanns rückständi-

ge und geringschätzige Äußerungen über die Frauen, obwohl er sich auf seinen

Amerikareisen über die dortigen gesellschaftlichen Fortschritte, z. B. die gemisch-

ten Klassen in den Schulen, sehr begeistert geäußert hat.

Bisher wurde in der Schliemannforschung die Meinung vertreten, dass Schlie-

manns widersprüchliche Begründungen in seiner Selbstbiographie für die frühe

„durch Zufall“

erlangte amerikanische Staatsbürgerschaft im Jahre 1851

21

auf ei-

ner Lüge beruhe, da er diese offiziell erst im Jahre 1869 erhalten habe. Es ist zu

vermuten, dass Schliemann, ähnlich wie bei der Benennung des Datums für die

Entdeckung des „Priamos-Schatzes“, versucht hat, eine Vorgeschichte zu inszenie-

ren, um unliebsame Folgen für seine auf unlautere Art und Weise in Indianapolis

erwirkte Ehescheidung zu verhindern. Die brieflichen Darlegungen Schliemanns

zur Erlangung seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft geben Anlass, seine spä-

teren umstrittenen autobiographischen Äußerungen neu zu bewerten.

Vor uns entsteht das faszinierende Bild eines von einer Idee besessenen Menschen,

der sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, etwas Ungewöhnliches und Bleibendes

zu vollbringen. Dieses trotz widriger Umstände durch ständige Selbstüberwin-

dung, enorme Willenskraft und höchsten persönlichen Einsatz erreichte Lebens-

werk Schliemanns ist es, das uns auch heute noch Respekt und Achtung abver-

langt. Daran können auch Schliemanns charakterliche Fehler und Schwächen, die

in den Briefen deutlich zum Ausdruck kommen, nichts ändern.

Jeder Leser des Buches kann sich nun ein eigenes Urteil über den Menschen Hein-

rich Schliemann bilden. Dies wird ihm jetzt, wo er ihn besser und genauer ken-

nenlernen wird, eher möglich sein, als in der Vergangenheit. Ganz nahe kommt

man Schliemann aber nicht. Der Autor hofft, dass es ihm gelungen ist, mit seinen

Erkenntnissen „das Dunkel hinter dem Lichte“, wie es Emil Ludwig 1932 formu-

liert hat

22

, weiter zu erhellen!

21

Schliemann 1881, S. 15.

22

Ludwig 1932, S. 27.