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eine 31 Meter breite dritte Plateforme mit einer 34 Meter breiten oberen Terrasse
angelegt und lasse dort 70 Arbeiter graben, denn unmittelbar neben dem Rande
des steilen nördlichen Abhangs finde ich auf dieser Stelle eine 34 Meter lange
und 23 Meter breite viereckige Senkung des Bodens, welche nur durch Ausgra-
bungen entstanden sein kann, die schon vor Jahrhunderten von den nach Säulen
oder andern nur irgend als Grabmal tauglichen Säulenblöcken suchenden Türken
gemacht sind; … Die unzähligen Stücke Marmor, womit die ganze Bergfläche
des Herrn Calvert bedeckt ist, lässt keinen Zweifel, dass das Feld, jedenfalls jener
Teil desselben, wo die viereckige Senkung ist, von türkischen Marmorsuchern
durchgraben ist.
Kaum war diese meine dritte Plateforme wagrecht in den Berg vorgerückt, so
fand ich einen 2 Meter langen, 86 cm hohen und auf einer Seite 55, auf der ande-
ren 36 cm dicken Triglyphenblock von parischem Marmor, der in der Mitte eine
88 cm lange, 86 cm breite Skulptur in Hautrelief hat, welche den Phoebus Apollo
darstellt,…“
1
Schliemann vertrat zunächst die Auffassung, dass es sich um Reste eines Apol-
lontempels handelte. Er kehrte erst später (1884) zu seiner ursprünglichen Auf-
fassung – Tempel der Minerva – zurück. Die Spuren der Kalkbrenner müssen
zu Beginn der Ausgrabungen unübersehbar gewesen sein. Dass die Heliosme-
tope diesem Schicksal entging, verdanken wir wohl nur dem Umstand, dass sie
beim Einsturz des Tempels auf den Abhang fiel, herunterrollte und von Erde und
Schutt überwuchert wurde.
Doch dieser Fund war nicht das, was Schliemann zu Beginn seiner Grabungen
erwartete, denn er schrieb über die Stelle mit den Trümmern des dorischen Tem-
pels: „Unter den Ruinen dieses Tempels hoffe ich die Trümmer jenes von Alex-
ander dem Großen hier vorgefundenen winzigen Tempels zu finden. Es scheint
mir jedoch nicht wahrscheinlich, dass ich in den Tiefen des letzteren den alten
trojanischen Tempel entdecke, in welchen Hekabe durch die Priesterin Theano
ihr kostbares Gewand auf die Knie der Minerva legen ließ.“
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(Abb. 2)
Hier bestätigt sich noch Schliemanns ursprüngliche Auffassung, die von ihm ge-
suchten Bauten des Priamos nur in großer Tiefe zu finden. Am 13. Juli 1872 ver-
merkt er, dass „seit der Entdeckung des Sonnengottes mit den vier Pferden viele
Marmorblöcke mit Darstellungen von Sonnen und Blumen gefunden, jedoch kei-
ne Sculpturen von Wichtigkeit.“
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1
Heinrich Schliemann, Trojanische Altertümer. Leipzig 1874, S. 99 f.
2
Vgl. Anm. 1, S. 102.
3
Ebd. S. 141.